Gourmet-Trip nach Flandern: An diesen Orten sollte man genießen

Die besten Adressen der Region

       

Flandern ist nicht nur berühmt für Alte Meister und bilderbuchschöne Städte, sondern auch für seine fantastische Gourmetszene, die so viel mehr kann als „nur“ Schokolade, Pommes und Bier. CC-Autorin Kiki Baron hat sich durch die Genussregion gespeist.

Denke ich an Flandern, schweift mein geistiges Auge durch zahlreiche historische Städte – Antwerpen, Brügge, Gent, um die bekanntesten zu nennen. Blühende Handelsmetropolen waren das vor 500 Jahren. Auch Metropolen der Kunst. Und das sieht und erlebt man bis heute. Dann zoomt mein Blick auf Restaurants und Kneipen – moderne, traditionelle und rustikale. Bei meinen ersten Besuchen vor vielen Jahren war ich bereits über die qualitätsvolle Küchenkultur erstaunt. Selbst in banalen Dorfschenken kamen knuspriges Sauerteigbrot und hausgemachte Paté auf den Tisch. Und schon damals, ich rede von den 1980er/90er-Jahren, wurde Haute Cuisine in schicken Restaurants zelebriert. Heutzutage hat man die Qual der Wahl, wenn’s um Fine-Dining geht. Ich mag auch das belgische Bier sehr gerne. Wenn ich in Flandern in einen Pub gehe und ein Bier bestelle, zeigt der Kellner auf ein Dutzend Zapfhähne hinterm Tresen und legt mir zudem die Karte vor, auf der nochmal 50 und mehr unterschiedliche Flaschenbiere gelistet sind. „Welches möchten Sie denn?“ Einige Bierkneipen haben nicht nur einen geraumen Teil des belgischen Sortiments im Programm, sondern auch für jedes Gebräu ein unterschiedliches, an der Decke hängendes Glas. Die Zahlen schwanken, doch laut Visit Flanders werden im „kleinen, aber tapferen Belgien nicht weniger als 1.500 einzigartige Biere gebraut“. 2026 wird die Kunst des Bierbrauens als immaterielles Weltkulturerbe rund ums Jahr gefeiert. Bevor es ans Eingemachte geht, noch etwas über das flämische Volk: Ich habe es stets als sehr gesellig empfunden, als relaxt und lebenslustig. Das ist das burgundische Erbe, sagt mein holländischer Mann dazu. Dem guten Leben frönen, soll das heißen. Gute Küche gehört dazu. Und schon mal ein Bierchen am Vormittag auf der Café-Terrasse.


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Na Dann, Prost! In Belgien werden rund 1.500 Biere gebraut.



Drei Sterne für die Bourys

Das Städtchen Roeselare in Westflandern dürfte nur wenigen Reisenden bekannt sein. Doch hier steht eine Backstein-Villa, die es im wahrsten Sinne des Wortes in sich hat. Sie beherbergt das Boury , ein Drei-Sterne-Restaurant, das von der gleichnamigen Familie geführt wird: Tim Boury, Inge Waeles und Ben Boury. Es ist eine Oase klassischer, aufmerksamer Gastlichkeit, in der Chef Tim tagtäglich in der Küche steht. Nicht zuletzt wegen seiner zahlreichen Stammgäste aus der Region offeriert er neben dem Menü auch eine umfangreiche À-la-carte-Auswahl. „Damit Sie sich entscheiden können, was Sie essen möchten und wie viel“, sagt er.

Zudem pflegt der Sternekoch, wie für Belgien typisch, die Lunch-Kultur. Und so sitzen wir an einem Frühlingstag bis um halb fünf Uhr nachmittags und genießen entspannt die Augen- und Geschmacksdramaturgie mit abgestimmten Weinen. Wenn ich richtig gezählt habe, sind es 18 kunstvoll angerichtete Speisen, jede Hingucker und Aromaexplosion zugleich. Karamellisierter Schweinebauch ist dabei, Creme Brulée mit Entenleber, Ceviche aus Gelbschwanzmakrele mit Leche de Tigre und Hasenrücken. Autofahren sollte man nach all den erlesenen Tropfen nicht mehr, weswegen wir auf diesem kulinarischen Streifzug durch Flandern mit der Bahn unterwegs sind und von den jeweiligen Stationen ein Taxi nehmen. Klappt perfekt. Wir sind ja nicht in Deutschland.


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Ganz schön Familiär Im 3*-Restaurant Boury kümmert sich die ganze Familie um das Wohl der Gäste.



Fritten für Feinschmecker

Nächste Station ist Gent. Im Mittelalter mächtiger Stadtstaat, entfaltet es sich heute dank der zahlreichen Studenten als junge, lebendige Stadt. Höhepunkt in Sachen Kunst ist der Genter Altar in der St.-Bavo-Kathedrale. Zu sehen ist hier „Die Anbetung des Lamm Gottes“ von den Gebrüdern van Eyck. 1432 enthüllt, steht er noch an derselben Stelle. Hoffentlich, denn das Gemälde ist das am häufigsten gestohlene Kunstwerk aller Zeiten. Wir gehen auf eine Portion Vlamse Frites in die Frituur Tartaar. So leckere Pommes habe ich schon lange nicht mehr gegessen: außen zart knusprig, die weiche Kartoffel wohlschmeckend nussig, die Saucen hausgemacht. Alle Zutaten stammen von handverlesenen Produzenten.


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Heiß & Fettig Im Frituur Tartaar gibt‘s Fritten vom Feinsten.



Am Abend ist wieder Sterneküche angesagt, im Vrijmoed . Das Restaurant besticht durch klassische Eleganz, die Kreationen von Michael Vrijmoed durch Avantgarde-Stil. Er legt großen Wert darauf, seine Bio-Zutaten Nose-to-Tail zu verwerten. Aus dem, was bei anderen im Müll landet, egal ob Fleisch- und Fischabfall, Gemüsestrunk oder Griebsch, kitzelt er Geschmack und macht daraus, dank moderner Küchentechnik, Kunst auf dem Teller. Im Menü, wahlweise mit vier bis sieben Gängen, steckt viel Meeresgetier. Beispielsweise Leinen-geangelter Wolfsbarsch mit Muscheln, aromatisiert mit Yuzu. Angeboten wird zudem ein vegetarisches Menü. Oder man schlägt bei den delikaten Fleischgerichten zu. Ich wähle gebackenes Kalbsbries mit schwarzen Trüffeln und Gnocchi. Ein Gedicht …


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Vrijmoed Zero-Waste-Cuisine mit Michelin-Stern



Man kann gar nicht genug über die flämische Küche schwärmen. Wir finden sie auch in einem Villenviertel am Naturpark Zwin nahe Knokke-Heist. Im Carcasse treffen wir den fröhlichen Timon Michiels. Der junge Chef hat sich auf Fleisch, Schinken und Wurstwaren spezialisiert und dafür den berühmten belgischen Metzgermeister und Fleischproduzenten Hendrik Dierendonck als Partner gewonnen. Veganer und Vegetarier müssten die Augen zu machen, falls sie überhaupt das Restaurant betreten. Mitten im Raum, in einem gläsernen Kühlschrank, hängen Rippen, Keulen, Filets und T-Bones. Auf der Speisekarte wird der Geschmack der Côte à l‘Os (Hochrippe) anhand der verschiedenen Rinderrassen beschrieben. Einmalig, würde ich sagen. Wir lassen uns überreden, mehr zu verkosten, als dem Magen lieb ist. Doch jeder Bissen ist hier ein Hochgenuss, ein Erlebnis von intensivem Geschmack, Saftigkeit und Zartheit. Das dick marmorierte Ribeye Wagyu schmilzt auf der Zunge.


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Carcasse Flanderns Paradies für passionierte Fleischtiger



Kunst an der Wand – und auf dem Teller

Next Stop Brügge. Die bildschöne Stadt, durchzogen von Kanälen, ist auch in der kalten Jahreszeit überlaufen. Doch wie immer bei einem UNESCO-Weltkulturerbe sind Besucher auf den üblichen Rennstrecken unterwegs und lassen stille Gassen gern außer Acht. In einer dieser befindet sich das Réliva . Modern mit viel Holz gestylt, manch historische Mauer unverputzt, wirken in diesem kleinen Lokal Chefin Lien Vandeputte und Partner Cedric im Team. Er serviert und klärt über die zahlreichen Weine im Angebot auf. Sie stammen überwiegend von unbekannten Winzern mit Bio- und Naturwein-Ausbau. Grundlage von Liens Küche sind Produkte von lokalen Bauernhöfen und Gärtnereien, Fischern und Jägern. Je nachdem, was knackfrisch angeliefert wird, lässt sich die Autodidaktin jeden Tag aufs Neue inspirieren. Die Gerichte überzeugen mit ihrer Vielfalt an Aromen. Sie sind farbenfroh wie die moderne Kunst an der Wand.


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Lien Vandeputte Die Autodidaktin kocht im Restaurant Réliva in Brügge auf.



Brunch im Grünen

In Antwerpen haben wir diesmal in unseren Lieblingsrestaurants Hertog Jan und The Jane keinen Tisch bekommen. Wir kehren als krönendes Finale zum Sunday Brunch in Antwerpens feinstem Hotel ein – dem Botanic Sanctuary. Ich kann mich nicht erinnern, je in einem so stilvollen Rahmen eine derart exquisite und umfangreiche Auswahl von kalten und warmen Speisen, begleitet von Champagner und Weinen, genossen zu haben. Ob Austern, Langusten, Krebse oder Krabben, Artischocken-Salat, Trüffelnudeln oder rosa Roastbeef vom Grill, das grandiose Buffet ist derart opulent, dass wir kaum alles probieren können. Dabei sollte man Platz für Käse und die süßen Leckereien lassen. An Nachbartischen hocken vergnügte Runden von Locals. Sie machen das, was ich anfangs beschrieben habe: dem guten Leben frönen. Warum sagt man eigentlich immer leben wie Gott in Frankreich?


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Wie im Süden Bistro am Conscienceplein in Antwerpen



HOTELTIPPS

Gent
NH Collection Gent
5*-Häuser hat Gent nicht zu bieten, doch dieses frisch renovierte Hotel mit großzügigen, stilvoll bestückten Zimmern ab
25 m2 Wohnfläche hat, abgesehen vom bemerkenswerten Preis-Leistungsverhältnis, einen nicht zu verachtenden Vorteil: eine Tiefgarage mit 120 Stellplätzen sowie E-Ladestationen.
www.nh-hotels.com

Marriott Gent
Beste Adresse in der Altstadt: Über mehrere historische Gebäude verteilt, steht dieses Hotel außergewöhnlich nah am Ufer der Leie. Die modernen Zimmer kommen in hellen Tönen mit kräftigen Farbakzenten daher. Reizvoll die Executive-Suite mit Rooftop-Terrace sowie die heimeligen Junior-Suiten unter original Deckenbalken.
www.marriott.com

Knokke Heist
La Réserve
Nach 10-Millionen-Umbau wurde das Hotel nahe von Casino und Strand im Sommer 2023 neu eröffnet. Als einziges 5*-Haus an der Küste prunkt es jetzt mit coolem, licht- und luftdurchflutetem Interieur, mit Wellness-Oase und beheiztem Pool. Als Botschafter der flämischen Küche führt Peter Goossens in der großzügigen Brasserie „La Rigue“ Regie, nachdem er sein Drei-Sterne-Restaurant Hof van Cleve verkauft hat. www.lareserve.be

Brügge
Duke‘s Palace
Die Geschichte des 5*-Duke‘s Palace mit seinen 135 Zimmern und Suiten reicht bis ins 15. Jh. zurück. Der neuere Teil des Hauses geht zum kleinen, umschlossenen Park hinaus, wo man auf der Terrasse frühstücken kann. Historisches Ambiente offerieren die Heritage Junior Suiten sowie, mit hoher Stuckdecke, die Royal Suite „Maria von Burgund“. Größtes Refugium mit 95 m2 ist die Gartensuite mit privater Terrasse. www.hoteldukespalace.com

Antwerpen
Botanic Sanctuary
Ein Kloster aus dem Mittelalter beherbergt heute das einzige LHW-Hotel in Flandern. „Botanic“ darf man wörtlich nehmen, denn betritt man das luxuriöse Haus, fühlt man sich wie in einem botanischen Garten. Im noblen Ambiente hat man hier das Vergnügen, unter Sterne-Restaurants wählen zu können. Zudem legendär: der sagenhafte Sunday Brunch.
www.botanicantwerp.be


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Duke's Palace, Brügge