Malta: Augen auf die Mittelmeerschönheit
Auf den drei sonnenverwöhnten Inseln Malta, Gozo und Comino gibt es viel zu entdecken
Geschichte und Geschichten sind hier miteinander verflochten wie die traditionelle lokale Klöppelspitze. Und Kultur, Kulinarik sowie Entspannung liegen meist nur einen Steinwurf voneinander entfernt.
Sanft schaukeln zwei farbenfroh bemalte Boote in der malerischen Bucht vor Valletta. Mit der unaufgeregten Routine eines venezianischen Gondolieres manövriert der Bootstaxi-Führer seine sogenannte Dgajsa an den Anlegesteg, und rasch klettern neue Gäste auf die hölzernen Bänke unter einem schützenden Baldachin. Während früher hunderte dieser Boote im Wasser des Grand Harbours lagen, sind es heute nur mehr wenige – aber immer noch genug, um auf traditionelle Weise von Valletta in die gegenüberliegenden drei Städte überzusetzen. Mit etwas Glück erwischt man die „St. Angelo“, mit der Elizabeth II., damals noch Prinzessin, zum Fort St. Angelo gebracht wurde. Die spätere Queen war wohlgelitten im Land. Oder um es mit dem augenzwinkernden Stolz der Malteser zu sagen: „Born in England, made in Malta!“ Eine schönere Anreise zu den sogenannten „Drei Städten“, die den urbanen Kern Maltas bilden, ist kaum denkbar. Vittoriosa, Cospicua und Senglea sind heute fast nicht mehr auseinanderzuhalten, so nahtlos gehen sie ineinander über. Kein Wunder, zählt Malta doch zu den am dichtesten bevölkerten Ländern der Welt .
Valletta und die Upper Barrakka Gardens, an deren Balustrade sich Kanonen aus dem 19. Jh. aneinanderreihen, im Nacken, schippern wir ins pittoreske Vittoriosa. Der Knall des traditionell zu Mittag abgefeuerten Schusses hängt noch träge in der Luft, und inmitten der Bucht weiß man nicht so recht, wohin man zuerst schauen soll: Achtern liegen die hohen Festungsmauern der Hauptstadt, über der die ineinander verschachtelten Häuser wie sandsteinfarbene Klötze Tetris spielen . Voraus thront das Fort St. Angelo über den Felsen, und dazwischen gibt es Old-timer-Schoner und Hightech-Yachten zu bewundern.
Wachgeküsst
Lange Zeit galt das winzige Valletta als verschlafene Museumsstadt, wo nach Einbruch der Dunkelheit alle Gehsteige entlang der trutzigen Festungsmauern hochgeklappt wurden. Das ist längst Vergangenheit, denn heute schlürft man auf den zum Wasser führenden Treppen Champagner oder Wein, isst knusprige Pastizzi und bewundert währenddessen die untergehende Sonne. Die Weltkulturerbe-Stadt ist hellwach, und nicht nur die Strait Street ist wieder voller Leben. Dort, wo einst die „Schönen der Nacht“ auch tagsüber an Mauern gelehnt auf Kundschaft warteten und Transvestiten in den Lokalen auftraten, haben die fehlenden Seeleute eine Lücke hinterlassen. Denn als Malta 1964 seine Unabhängigkeit von den Briten erlangte, blieben zwar Linksverkehr und rote Telefonzellen im Land , die Kundschaft blieb jedoch plötzlich aus. Diese Lücke haben die Touristen inzwischen wieder gefüllt. Und so reihen sich heute in den Gassen von Valletta gut besuchte Lokale und Bars aneinander, dazwischen findet sich der eine oder andere Handwerksbetrieb wie der Lederspezialist Captain’s Cut oder das alteingesessene Kurzwarengeschäft Victor Galea Haberdashery. Wer auf der Suche nach dem alten, verschlafenen Valletta ist, wird ebenfalls fündig, denn nicht alle Ecken der Stadt sind renoviert und aufgehübscht. Es gibt sie noch, die abgewetzten Hauseingänge sowie die abblätternden Ladenschilder und Werbetafeln – und das ist auch gut so.
Showdown für Caravaggio
Inmitten des städtischen Trubels mahnt die imposante St. John’s Co-Kathedrale, eine der 365 Kirchen im Land, etwas Ruhe ein. Der Italiener Michelangelo Merisi, bekannt als Caravaggio, hat sich 1608 mit seiner Auftragsarbeit, dem Ölgemälde „Die Enthauptung Johannes des Täufers“, hier ein Denkmal gesetzt. In der Co-Kathedrale wurde der Künstler auch zum Ritter ernannt. Die Ehre konnte der Raufbold jedoch nicht genießen, da er wegen einer tödlich ausgegangenen Schlägerei auf der Flucht war. Beim Konzert von Valletta Resounds „The Caravaggio Experience“ im Oratorium des Gotteshauses nehmen einen die drei Künstler im stilechten Malteserorden-Kostüm mit in eine andere Zeit. Der Kontrast zu einer an der Seitenfassade der Kathedrale angebrachten Bronze-Skulptur, die von den Einheimischen zu einem Denkmal für Daphne Caruana Galizia umfunktioniert wurde, könnte nicht größer sein. 2017 wurde die investigative Journalistin und Bloggerin auf der Insel durch eine Autobombe getötet.
Unser Guide Dane Munro schlägt eine Pause im 1837 eröffneten Caffè Cordina vor. Munro ist nicht nur Anthropologe, Altphilologe und Historiker, sondern auch ein echter Knight des Malteser-Ritterordens . Rund 100 gebe es davon auf Malta, weltweit ca. 14.000. „Der Orden ist die älteste karitative Organisation überhaupt!“ Am Nebentisch unterhalten sich drei Damen auf Malti, und hinter dem langen Tresen zischt nicht nur die Espressomaschine …
Der Lärmpegel ist hoch. Munro schmunzelt: „In Malta muss es bunt und laut sein!“ Darauf stoßen wir mit Kinnie, einer Art maltesischer „Nationallimonade“, an. „Viva qui regne!“ lautet der stets passende Trinkspruch, der so viel wie „Auf die Regierung“ bedeutet. Regierungen kommen und gehen, die Malteser aber bleiben, so der Subtext. Im Großmeisterpalast weist Munro auf besonders eindrucksvolle Stücke hin, wie eine von Kopf bis Fuß verzierte Ritterrüstung, die einst sogar Louis Vuitton inspiriert haben soll, oder einen zu Ritterzeiten üblichen Gewehr-Schalldämpfer. An dieser Epoche orientierte sich auch der italienische Architekt Renzo Piano, als er Vallettas Parlament neu plante: Die Stufenhöhe seiner Treppen gestaltete er nach historischem Vorbild so niedrig, dass ein Kreuzritter trotz schwerer Rüstung hochsteigen könnte. Das moderne Gebäude fügt sich gut in das historische Ambiente, wenngleich dies wohl nicht alle Malteser so sehen. Manche sollen den Bau mit einem Taubenschlag verglichen haben.
Kleine und große Zeitreisen
Das mittelalterliche Mdina betreten wir durch das beeindruckende, barocke Haupttor, das 1724 von Manoel de Vilhena, einem Großmeister des Malteserordens, erbaut wurde. Touristen und angehende Influencer arbeiten mit Selfiesticks an der eigenen Berühmtheit und freuen sich über das fotogene Stadttor von Königsmund aus der Serie „Game of Thrones“ . Nur in der Nebensaison macht die als stille Stadt Bekannte ihrem Beinamen noch alle Ehre. Wir flanieren durch verwinkelte Gassen, bis wir auf eine Marmorplatte stoßen. Sie erinnert an einen jungen Mann, der hier vor vielen Jahren zu Tode kam, wie ein zufällig vorbeikommender älterer Herr in einem Kauderwelsch aus Malti und Englisch erklärt. Er weist uns auf eine weitere historische Besonderheit hin. Oberhalb eines hinter blau gestrichenen Läden versteckten Fensters stehen sich zwei in den Stein geritzte Fallbeile gegenüber. Ein Indiz auf dessen einstigen Bewohner: den Henker. Wir verlassen die wenig vergnügliche Ecke und laufen unserem selbsternannten Guide hinterher, der uns noch den im 13. Jahrhundert errichteten Palazzo Falson zeigen möchte. Auch wenn dessen Inneres interessant ist, der Weg dorthin ist es noch mehr.
Mdina ist nahezu autofrei. Fußlahme Touristen werden mit einspännigen Pferdekutschen durch die Gassen gekarrt. Oleander und anderes Grün in schweren Tontöpfen flankiert die Haus-eingänge, von denen manche Türen offen stehen, nur ein etwa hüfthohes Metallgitter versperrt den Zutritt. Ein Überbleibsel jener Tage, als noch Schaf- und Ziegenherden durch die Ortschaften getrieben wurden. Eine alte Dame wirft uns durch ein geöffnetes Fenster ihres hölzernen Balkons einen enttäuschten Blick zu. Sie hat wohl gehofft, auf eine redeselige Nachbarin zu treffen, als sie unsere Schritte hörte. Die Gallarija, so die maltesische Bezeichnung für Balkon, ist lebendiges Beispiel des arabischen Einflusses. In fast allen Gassen und Straßen sind die in vielen Farben gestrichenen Balkone zu finden: Blau, Rot, Grün, Gelb usw. Ob schlicht oder nahezu barock ausgeführt: In Malta sind sie glücklicherweise nie aus der Mode gekommen.
Postkartenschönheit
Wer Malta besucht, kommt am Fischerdorf Marsaxlokk nicht vorbei. Dort wiegen sich die bunt bemalten Luzzi, kleine Fischerboote, fotogen in den Wellen . Die am Bug aufgemalten Augen, die vor dem Bösen schützen sollen, erinnern nicht von ungefähr an die stark geschminkte Elizabeth Taylor in „Kleopatra“. Am sonntäglichen Markt drängen sich Touristen und Einheimische vor den Ständen. Neben Fake-Designerware werden Sonnenschirme aus maschinell hergestellter Klöppelspitze, Gemüse und fangfrischer Fisch wie Lampuka (Goldmakrele) verkauft. Wer gute Augen hat, kann auf der gegenüberliegenden Seite den Containerhafen von Kalafrana sehen, dessen Kräne sich aus der Entfernung wie riesige aus dem Meer ragende Arme ausnehmen. Der perfekten Postkartenidylle schadet dies nicht. Auch die drei Männer, die sich in einem Fischkutter die Zähne putzen und einander die Haare schneiden, fügen sich ideal ins Bild.
Abstecher zu den kleinen Nachbarn
Malta ist mehr als nur Malta, immerhin besteht der Staat neben den drei Hauptinseln Malta, Gozo und Comino aus 18 weiteren kleinen, unbewohnten Inseln. Was man gesehen haben muss? Die namentlich genannten. Denn eines ist klar: Ohne in der Blauen Lagune auf Comino geschnorchelt zu haben, fehlt etwas . Schon von weitem schimmert die türkisblaue Bucht durch die schroffen Felsen. Der Landweg ist möglich, doch mit dem Boot lässt sich ein Tauchgang oder ein Besuch der vielen Grotten einfacher organisieren. Mehr zu sehen gibt es auf Gozo, wo die alles überragende Zitadelle der Stadt Victoria beeindruckt. Noch wohnen zwei alteingesessene Familien innerhalb der dicken Mauern. Wie lange noch, ist unklar. Angeblich, so wird gemunkelt, werden die zwei letzten von Einheimischen bewohnten Häuser nicht wieder vermietet, sondern künftig anderweitig genutzt. Aus einem dieser Häuser dringt leise Musik, und der Duft frisch gehackter Kräuter wabert durch die halboffene Tür. Diese Zeichen einer lebenden Stadt könnten bald Geschichte sein.
Gespräche über das Wetter bedeuten meist, dass eine Konversation ins Stocken geraten ist. Nicht so bei Josephine Xuereb, deren Salzpfannen sich entlang der Xwejni-Küste auf Gozo befinden. Dort, wo schon die Römer Salz gewannen. Für Josephine hat dieses triviale Thema eine besondere Bedeutung, denn ein heißer, sonniger Tag kann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. „Die Salzproduktion hängt vom Wetter ab. Manchmal holt sich das Meer die Ernte wieder zurück, indem es die Pfannen flutet“, erklärt sie und ergänzt philosophisch: „Die Natur nimmt und gibt.“ Die nur wenige Kilometer entfernten Tempel von Ġgantija in Xagra sind Zeugnisse einer steinzeitlichen Hochkultur und seit 1980 UNESCO-Weltkulturerbe . Nicht umsonst gelten Malta und Gozo als Eldorado für kulturinteressierte Besucher. Einige behaupten gar, dass Gozo Homer als Vorlage für das in der Odyssee beschriebene Eiland Ogygia diente. Wahr ist jedenfalls, dass alles auf den kleinen Inseln jeweils nur einen Katzensprung entfernt liegt, sodass Kultur, Kulinarik oder Tauchen und Strandfeeling problemlos in einen einzigen Tag zu packen sind.
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