Zugegeben, als klassisches Skireiseziel ist Baiersbronn nicht meine erste Wahl. Die wenigen Skilifte auf der Schwarzwaldhochstraße laufen angesichts des Klimawandels nur noch selten, und die kurzen Pisten sind eher was für Anfänger. Das Loipensystem für Skilangläufer ist zwar gar nicht so schlecht, wirklich locken kann es mich aber auch nicht. Was mich im Winter nach Baiersbronn zieht, sind einzig und allein das Bareiss und sein herausragender Dreisternekoch Claus-Peter Lumpp.
Wer auf dem Weg in den Skiurlaub in den Alpen, einen Zwischenstopp einlegen will, findet keinen besseren Ort als das legendäre Gourmethotel im Nordschwarzwald. Von der Autobahn A 5 Richtung Basel sind es nur ein paar Kilometer Umweg, die sich lohnen. Vor allem in der Adventszeit verwandelt sich das Bareiss in ein Weihnachtswunderland. Während anderswo selbst im Tophotels zuweilen Plastikbäume aufgestellt werden, stehen im Bareiss 60 echte Weihnachtsbäume. Jeder einzelne wird vom Team liebevoll mit Kugeln und Lichterketten geschmückt. Und jede Suite bekommt einen eigenen Baum.
Weil im Bareiss Wert auf Perfektion gelegt wird, tauschen sie die Weihnachtsbäume im Laufe des Winters sogar noch einmal aus, damit kein Gast rieselnde Christbäume mit hängenden Zweigen ansehen muss. So zieht im Winter stets ein wunderbarer Duft durchs Haus – eine Mischung aus frischen Tannen, würzigem Glühwein und fast noch warmem Gebäck. Weihnachtstimmung wie in der guten alten Zeit.
Werte aus guten alten Zeiten und liebgewonnene Traditionen werden im Bareiss großgeschrieben, obwohl kaum ein Jahr vergeht in dem das Fünfsternehotel nicht irgendetwas modernisiert. 2024 wurde das Gourmet-Restaurant Bareiss neugestaltet und im Dachgeschoss kamen moderne Penthouse-Suiten hinzu. Deren Design wirkt moderner und geradliniger als der sonstige Landhausstil des Hauses.
Welche Einrichtungsstil einem besser gefällt, ist Geschmackssache. Landhausstil ist meine Sache nicht. Dennoch gehört das Bareiss zu meinen Lieblingsadressen. Der Grund dafür sind die Menschen in diesem außergewöhnlichen Haus. Leider hat selbst in einigen Tophäusern - beschleunigt durch die Corona Pandemie - die Service-Qualität nachgelassen. Nicht so im Bareiss. Die Mitarbeiter sind hervorragend ausgebildet, viele in der eigenen Bareiss-Akademie in Baiersbronn. Sie sind kompetent, aufmerksam und so freundlich, als wäre man bei ihnen zu Hause zu Gast.
Ausgezeichnete Mitarbeiter zu finden, auszubilden und zu halten ist eine der größten Stärken des Familienbetriebs, den die Witwe Hermine Bareiss nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Nichts aufbaute. Ihr Sohn Hermann Bareiss machte das Hotel groß, bevor dieser 2010 mit seinem Sohn Hannes und dessen Frau Britta die dritte Bareiss-Generation in die Führung einband.
Genauso herausragend wie das Personal sind die ganz unterschiedlichen Restaurants des Hauses. Neben dem Hotel-Restaurant, in dem die üppige Halbpension serviert wird, gibt es im Haus die Kaminstube, in der traditionelle Klassiker mit internationalem Touch und modernen Einflüssen aufgetischt werden. Schwäbische Spezialitäten findet man in der urigen Dorfstube, die auch bei Einheimischen sehr beliebt ist und sogar von Vereinen und Gesellschaften in Baiersbronn als Stammtisch-Lokal genutzt wird.
Nicht nur mit den Dorfstuben beweist das Bareiss, dass es kein elitäres Luxushotel sein will. Auch mit der Wanderhütte Sattelei und dem jüngst dazugekommenen Forellenhof öffnet sich das Fünfsternehaus für ein breites Publikum. Trotz super fairer Preise ist die Qualität der Küche und des Service auch dort auf Top-Niveau.
Das kulinarische Aushängeschild mit internationaler Strahlkraft aber ist das Gourmet-Restaurant des Hauses unter Führung von Claus-Peter Lumpp. Der bodenständige Schwabe, den es nicht vor Fernsehkameras und ins Rampenlicht zieht, passt perfekt in den Familienbetrieb Bareiss.
„Hier hatte ich noch nie das Gefühl, dass ich mal etwas anderes machen will“, erzählt mir der Sternekoch, als wir zuletzt in seinem Restaurant zusammensaßen. Baiersbronn sei seine Heimat und das Bareiss für ihn eine Leidenschaft. Lumpp hat im Bareiss seine Lehre gemacht. Nach Wanderjahren bei international Spitzenköchen kehrte er nach Baiersbronn zurück und machte das Haus Schritt für Schritt zu einem Ziel für Gourmets.
Seit 2008 zeichnet der Restaurant-Führer Guide Michelin Lumpp ununterbrochen mit der Höchstwertung von 3 Sternen aus. Nicht nur die Kritiker der Feinschmecker-Bibel überzeugt der Schwarzwälder mit seiner klassischen Küche, die er zeitgemäß interpretiert. „Ich koche nicht für Kritiker, sondern für meine Gäste. Und ich will, dass sie mit einem Lächeln das Restaurant verlassen“, betont Lumpp. Dank dieser Einstellung widerstand er der Versuchung, Trends und Moden hinterherzulaufen. Lumpp blieb sich und seinen Stammgästen treu: „Bei mir sehen die Leute auf dem Teller, was es gibt. Und es schmeckt auch danach“, meint der Spitzenkoch.
Top-Küche ist für ihn Teamwork. Menüs entstünden gemeinsam, betont Lumpp. Am Ende aber trägt er die Verantwortung und prüft jeden einzelnen Teller, bevor dieser vom herausragenden Service mit Maître Thomas Brandt und Sommelier Teoman Mezda an der Spitze zum Gast gebracht wird. Lumpps Gerichte kommen ohne Türmchen und Schäumchen aus. Sie überzeugen durch die Qualität der Produkte, deren Aromen Lumpp meisterlich herausarbeitet.
Bei meinem jüngsten Besuch im Mai brillierte Lumpp mit einem wunderbaren Degustationsmenü, in dem Frühlingsboten vielen Gerichten Frische und Leichtigkeit verliehen. Nach der gefüllten Totanie mit Pulposud, einem wuchtigen Fest von Umami-Aromen, erfrischte der konfierte Kabeljau mit Zedra-Zitrone und bereitete den Gaumen perfekt auf die zarten Aromen der glacierten weißen Spargelspitzen aus Bruchsal mit Sauerampfer vor. Danach kam der Maibock aus der eigenen Bareiss-Jagd mit Rehrücken und pochiertem Rehnüsschen – perfekt gegartes Wild aus nachhaltiger Jagd, dass auf der Zunge zerging.
Genauso überzeugend kam das etwas kleinere Frühlingsmenü mit mariniertem Kingfish mit Rhabarber, bretonischem Steinbutt mit Fenchel, Orange und Safransauce sowie zweierlei vom Kalb mit weißem und grünem Spargel daher. Krönender Abschluss beider von Sommelier Mezda wunderbar mit passenden Weinen begleiteten Menüs, waren die süßen und doch leichten und erfrischen Köstlichkeiten von Patissier Stefan Leitner – ein weiteres Urgestein im Bareiss. Wer einmal bei Lumpp gegessen hat, wird immer wiederkommen. Und ganz sicher auch einmal in der Vorweihnachtszeit.