Wenn belesene Wien-Liebhaber den Namen Josefine hören, dann denken sie zunächst an die Mutzenbacher. Von dieser aus der Feder des Bambi-Schöpfers Felix Salten entsprungenen Dirne ist hier aber nicht die Rede. Stattdessen nimmt das frisch eröffnete Boutiquehotel Josefine Bezug auf Josephine de Bourblanc, eine mysteriöse Adelige, die nach der Oktoberrevolution in den 1920er Jahren von Moskau nach Wien flüchtete und zunächst in dem Haus in der Esterhazygasse 33 so lange als Dienstmagd arbeitete, bis sie die Behörden endlich davon überzeugen konnte, dass ihr das Gebäude zum Teil gehörte.
Im Jahr 1944 kehrte die Salondame von einem Einkauf nicht mehr zurück und gilt seither als verschollen. Mysteriös ist diese Erzählung deshalb, weil das Hotel zwar auf ihren Wahrheitsgehalt schwört, aber keine Quellen nennt. Wir wollen das „Gschichtl“, wie man in Wien sagt, allein schon wegen des originellen Notizbüchleins glauben, das jeder Gast beim Check-in als Hotelinformation erhält und einen charmanten Bezug zu dieser Dame herstellt – immerhin soll Josephine ihr Notizheft stets bei sich getragen haben. Ob sie ihre Mitarbeiter damals ebenso gut motivieren konnte wie das die Quereinsteigerin Susanne Hofmann als Gastgeberin heute schafft, ist nicht überliefert.
Das Personal versprüht eine unglaubliche Herzlichkeit, dabei böte allein dessen Livree, die dem Film „Grand Budapest Hotel“ entsprungen sein könnte, Anlass genug, dem Gast ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Der Fokus auf die 1920er und 1930er Jahre ist für Wien durchaus ungewöhnlich, denn im Gegensatz zu Berlin wurde die Zwischenkriegszeit in Wien nicht als „golden“ empfunden. Das spielt aber keine Rolle, denn der Besuch im Hotel Josefine ist mehr eine phantastische Weltreise als eine Reise in eine ferne Epoche. Dabei soll das Kirschrot, das auf den Wänden und den orientalisch anmutenden Fransenlampen im gesamten Hotel eine angenehme Wärme verbreitet, eine Reverenz an den Originalzustand des Hauses sein – im Gegensatz zu den zahlreichen maßgefertigten Einrichtungsgegenständen des Innenarchitekten Daniel Hora: Die Polstersessel, deren Lehnen gleichermaßen an eine Margerite wie an einen Baseballhandschuh denken lassen, wirken bereits jetzt legendär und sind wohl Anwärter auf einen Designpreis.
Die Zimmer sind nicht groß, aber originell: Ein Telefon mit analoger Wählscheibe und ein digitales DAB-Radio im Retrolook versprühen einen nostalgischen Charme, das Licht wird mittels Drehschalter aktiviert, die Tür mit einem Schlüssel aufgesperrt. Fast alle Zimmer werden über ein offenes Bad betreten, in manchen sind noch bunte Bleiglasfenster erhalten. Ein Highlight ist die Phonothek – ein heller Raum mit einem Plattenspieler und einer riesigen Schallplattensammlung. Ach ja: Wiener Nachtschwärmer kennen das Haus – im Keller befindet sich, so heimelig wie noch nie, der Barfly’s Club, die älteste Cocktailbar der Stadt.
hoteljosefine.at