Ohne den Kaisern aus dem Mittelalter hätte ich es womöglich nie nach Mainz geschafft. Zu sehr scheint der Ruhm des Fastnachtsgaudiums die Sehenswürdigkeiten der Rheinstadt zu überstrahlen, dabei hat sie einen imposanten Dom, das Gutenberg-Museum und Chagall-Fenster in der Kirche St. Stephan. Obwohl ich Egomanen – und das waren die Kaiser offenbar alle – ebenso fürchte wie den Karneval, beschäftige ich mich aus zeitlicher Distanz dann doch recht gerne mit ihnen: Die rheinländisch-pfälzische Landesausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht“ im Landesmuseum Mainz beleuchtet mit exquisiten Leihgaben noch bis zum 18. April 2021 die Karriere- und Machterhaltungsstrategien großer Kaiser und ihrer Gefährtinnen – heißer Tipp!
Es war natürlich kein Zufall, dass das Rheingebiet im Mittelalter die Kernregion des Heiligen Römischen Reiches bildete, denn hier rannte in ausreichender Menge all das herum, womit die Herrn Durchlauchten gerne ihre Mägen füllten. So gut und so vielfältig wie im Bellpepper Restaurant des Mainzer Hyatt Regency, dessen uferseitige Gästezimmer am entspannten Winterhafen einen weiten Rheinblick bieten, haben sie aber bestimmt nie gegessen. Zu dieser Feststellung gelange ich gleich bei der Vorspeise des Chef-Menüs: Die mit einer Jalapeño-Creme durchmischten, gerösteten Schwarzbrotkrümel bilden einen pikanten Gegenpol zum zartschmelzige Beef Tartare, das von einem kleinen Onsen-Ei (lange bei niedriger Temperatur gegart) gekrönt wird. Eine bessere Weinbegleitung als der unkomplizierte rheinhessische Riesling vom Weingut Gröhl kann ich mir in diesem Moment nicht vorstellen. Nein, hier an der Rheintöchter Terrasse lacht den Spätgeborenen das Glück.
Der Chef des Hauses heißt Daniel Göhler. Dass er aus dem Erzgebirge stammt, äußert sich während meines Aufenthalts ausschließlich durch saftige Streuselkekse beim Frühstück. Ansonsten verquickt Göhler europäische Gerichte mit interkontinentalen Einflüssen und schafft somit – entgegen dem Trend zu höchstmöglicher Regionalität – eine Arte Weltküche aus westlicher Sicht. Womöglich ist dieser Befund aber auch ein klein wenig der Pandemie geschuldet: Unter dem Hashtag #urlaubaufdiehand lud Göhler die Mainzer während des Sommers auf der Uferpromenade mittels Standwagen auf eine wöchentlich wechselnde kulinarische Weltreise ein – gut möglich, dass sich das Fernweh kurzzeitig auch auf der Bellpepper-Karte niedergeschlagen hat, denn auch der Seeteufel im Hauptgang, den Göhler auf ein Safran-Meeresfrüchte- Risotto betten lässt, wurde wohl kaum aus dem Rhein gefischt.
Weitgereist ist auch die Weinbegleitung, zu der man mich glücklicherweise überredet hat: Der Geyser Peak Chardonnay hat eine nahezu burgundische Finesse und so gar nicht jene holzige Schwere, mit der man kalifornische Weine bei uns immer noch verbindet. Die Mainzer hört man immer wieder sagen, man hätte der Rivalin am anderen Ufer – Wiesbaden – längst den Rang als kulinarische Hochburg abgelaufen. Da könnte etwas dran sein. Sternekoch Nils Henkel wechselte kürzlich die Seite und kocht nun entspannter im Papa Rhein Hotel (Bingen), Jungstar Philipp Stein übernahm das Familiengasthaus Steins Traube und und nach dem zu Redaktionsschluss bestehenden Lockdown wird das Staatstheater Mainz, das künstlerisch bereits für eine hohe Qualität bürgt, ein eigenes Restaurant mit dem Fokus auf lokale Weine eröffnen. Ich muss nochmal nach Mainz.
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