Jörg Bertram hat das Buch "Die Kreuzfahrer" von Wladimir Kaminer gelesen – sein Geheimtipp für die Lektüre auf hoher See.
Das Schönste an einem langen Seetag? Für mich sind es die völlig ungestörten Stunden auf dem Balkon der eigenen Kabine – ein Glas Wein in der einen und ein gutes Buch in der anderen Hand. Beim letzten Mal „24 Stunden auf See“ hatte es mir dabei vor allem ein südafrikanischer Chablis und das neueste Werk von „Russendisko“-Autor Wladimir Kaminer angetan. In „Die Kreuzfahrer“ beschreibt er so einen Balkontag folgendermaßen: „Der Ozean gleicht einer Wüste, einer kargen Landschaft, die statt aus Sand, aus Wasser besteht. Wenn man lange über das Meer auf den Horizont schaut, hat man das Gefühl, unser Planet sei ein bis zum Rand mit Wasser gefüllter Topf. Jeden Abend fällt die Sonne wie ein rohes gelbes Ei in ihn hinein und kommt als blass gekochter Mond aus dem Salwasser wieder heraus. Meine Oma hatte mir immer erzählt, dass man frische Eier am besten in salzigem Wasser kochen sollte, dann ließen sie sich besser schälen. Als Kind hielt ich das für einen Aberglauben. Heute weiß ich, meine Oma hatte recht. Meine Frau und ich saßen jeden Abend auf dem Balkon in der Hoffnung, vielleicht ein anderes Schiff, eine Insel oder ein paar Delphine zu sehen. Aber nichts war. Nur die Wellen schäumten in immer gleichem Abstand an uns vorbei, jedes Mal acht kleine und eine große …“
Seefahrerpoesie im Plauderton – einfach herrlich! Und mitunter auch bitterböse, superlustig oder ein bisschen abgedreht. Auf 218 Seiten beschreibt der gebürtige Russe wie er mit einem US-Megaliner den Atlantik überquerte oder mit AIDA im Mittelmeer sowie in der Ostsee und der Karibik aufkreuzte. „Auf einer Kreuzfahrt sammelt man in zwei Wochen so viele Geschichten wie auf dem Festland in Monaten nicht“, hat Wladimir Kaminer einmal gesagt. Recht hat er! Wer es trotzdem nicht glauben will, oder einfach nur auf der Suche nach der perfekten Bordlektüre ist, sollte sich „Die Kreuzfahrer“ unbedingt merken!
Erschienen im Wunderraum-Verlag www.randomhouse.de.
Gibt’s übrigens auch als Hörbuch – was aber schade wäre, weil man dem Wellenrauschen nicht mehr lauschen kann …