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Kamtschatka ahoi

03. Februar 2022

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Ich habe in vieler Beziehung Glück gehabt. Man kann sich nicht aussuchen, in welche Familie man hineingeboren wird. Meine Eltern waren weit davon entfernt begütert zu sein. Meine Mutter allerdings hatte mit Gütern zu tun. In den 30er Jahren war sie Gutssekretärin auf einem zigtausend Hektar Anwesen in Schlesien. Dort war der Tisch stets reich gedeckt. Dort wurde gute frische Küche zelebriert, von der alle Angestellten profitierten. Dort lernte sie nicht nur Kutsche fahren und als junge unverheiratete Frau sich gegen aufsässige Knechte zu wehren. Sie verfeinerte zudem ihren Geschmack in Sachen Küche und Keller. Und fand großen Spaß an Brutzelei und Brotbacken.



Von dieser Leidenschaft, gepaart mit Offenheit gegenüber fremdländischen Küchen, profitierte ich von klein auf. Mein Vater indes, vorm zweiten Weltkrieg als Bäcker ausgebildet, ging anschließend zur Seefahrtsschule und schipperte in den letzten 20 Lebensjahren als Kapitän um die Welt. So gesehen wurde mir das Reisen und die Lust auf Qualitätsküche bereits in die Wiege gelegt. Kam hinzu, dass mein Vater auf dem Schiff Zugang zu zollfreien Zigaretten und Spirituosen hatte und nämliche mit nachhause brachte. So konnte ich bereits im jugendlichen Alter Freunde mit echtem Budweiser Bier und Pommery für 10 Deutsche Mark die Flasche bewirten. Dazu haben wir gepafft wie die Weltmeister. Ich spreche hier von den 70er Jahren. Geld war zwar knapp, doch meine Mutter aromatisierte bereits zehn Jahre früher ihren Kartoffelsalat mit Kamtschatka-Crabs aus der Dose. Ebenfalls aus spottbilligen Duty-free-Beständen. Der feine Geschmack der Königskrabbenbeine sowie das bunte Etikett auf der Dose, und nicht zuletzt der verheißungsvolle Name Kamtschatka hatten sich in meinem kindlichen Hirn derart eingenistet, dass die Halbinsel im fernen Russland nach Aufnahme meiner Tätigkeit als Reisejournalistin und Restaurantkritikerin ein Wunschziel wurde. 2016 war es endlich soweit.

Während einer Luxus-Kreuzfahrt durch das Ochotskische Meer mit MS „Silver Discoverer“ stand ich auf dem Fischmarkt von Hauptstadt Petropavlosk Kamtschatski. Dort gab es die Monsterartigen Krebse bis zum Abwinken, doch zu einem Kilopreis, der sich kaum vom hiesigen unterschied. Zudem, wo abkochen? Unserem Schiffskoch war es untersagt, Lebensmittel von nichtlizensierten Ausrüstern in sein Reich zu bugsieren. Doch Gottlob, er drückte ein Auge zu. Mit russischen Kollegen legten wir Geld zusammen und so landete ein Monster von etwa einem Meter Durchmesser von einer Beinspitze zu gegenüberliegenden im Riesenkochpott. Einer der Kollegen griff nochmal tief in die Tasche und kaufte obendrein zwei Kilo reines Krebsfleisch. Das Gelage am Abend war eines Zaren würdig. Die Küche zauberte dazu eine opulente Selektion typisch russischer Beilagen. Feinster Wodka flutete im 5- Minuten-Takt unsere Kehlen. Zwischendurch das eine oder andere Gläschen Roederer Cristal.

Zarenmäßig eben.

Oder um es anders auszudrücken, auf die imperiale Spitze getriebener Ausdruck russischer Gastfreundschaft. Was blieb? Ein Tonnenschwerer Kopf am nächsten Morgen, kaputte Finger vom Krebsbeine - Knacken und die Glückseligkeit, einen langgehegten Traum aufs Allerfeinste erfüllt zu haben. Mehr geht nicht.

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