DER ADRIA-GOURMETTIPP

Kroatien hat mit der Genussregion Kvarner ein neues Trendziel. Die köstlichsten Scampi, kaiserliches Lammfleisch, coole Sternerestaurants und Sekt vom Meeresboden: Foodie-Herz, was willst du mehr?

Mangelndes Selbstbewusstsein kann man Deni Srdo nicht vorwerfen. Seine Wirkungsstätte, das Dachrestaurant Nebo im Hilton Costabella von Rijeka, betrachtet der Chef de Cuisine nicht nur als Fine-Dining-Hotspot, sondern offenbar auch als Showbühne: Links vor dem Ausgang zur Freiluft-Lounge hat er deshalb auch ein Gemälde von sich platzieren lassen. Das eigene Bauchpinseln mag damit zu tun haben, dass er zuvor im „Draga di Lovrana“ mit gerade einmal 27 Jahren zum jüngsten Sternekoch Kroatiens aufstieg und diesem Coup danach auch im Nebo (= Himmel) einen weiteren Michelin-Stern folgen ließ.
Bodenständiger wirkt der Shootingstar aus Krk beim Formulieren seiner Ausrichtung: „Ich will Synonym sein für eine moderne, aber doch auch traditionelle Küche. Es gibt bei uns so viele vergessene Rezepte!“
Nur ein paar Kilometer weiter, im nostalgischen Luftkurort Opatija, sitzt der Direktor des beliebten k.u.k-Hotels Miramar, Andreas Madejski, im Sisi-Pavillon und sagt: „Ich kenne keinen Freund, der noch nicht im Hilton essen war.“ In den vergangenen drei Jahren habe sich die Gastronomie in der Region eklatant geändert. „Weg von Cevapcici, Pizza, Pommes“, hin zu feineren, gesünderen, anspruchsvolleren Gerichten und einem noblerem Ambiente. Selbstgemachtes Brot mit Olivenöl ist jetzt keine Seltenheit mehr, auch bei der Deko wurde nachjustiert. Madejski, ein gebürtiger Wiener: „Die Kroaten sind reisefreudiger geworden und haben dadurch mitbekommen, was in der Welt kulinarisch so läuft. Auch den Hotels und Apartments ist ein Upgrade verpasst worden, mit neuen Möbeln und Matratzen – es wandelt sich alles in die richtige Richtung.“

Shootingstars: Chef Deni Srdoč und das Nebo-Restaurant im Hilton Rijeka Costabella Beach Resort & Spa

Innovationsmenü in der Cikat-Bucht

Erstmals wird auch der Standortvorteil so richtig ausgespielt: Die zwischen Istrien und Dalmatien liegende Region Kvarner (Opatija-Riviera, Rijeka, Crikvenica-Novi Vinodolski, das gebirgige Hinterland Gorski kotar, dazu die Inseln Krk, Cres, Lošinj und Rab) ist ein kulinarisches F(r)ischeparadies.
Die Kvarner Scampi sind von legendärer Qualität, die besten Kroatiens, wie Insider mit der Zunge schnalzen. Sie kommen sowohl in der ländlich-konservativen als auch in der kreativen Küche auf den Tisch – in sämiger Weißweinsauce, roh mariniert, gegrillt oder ausgelöst in Pasta und Risotto.
Im Restaurant Alfred Keller des Fünf-Sterne-Boutiquehotels Alhambra in Mali Lošinj wiederum lässt der oberösterreichische Küchenchef Michael Gollenz „coole Fische“ auf die Teller flutschen. Er arbeitet mit einem engmaschigen Netz aus kleinen Fischern zusammen – „ich verwende auch Stachelrochen, Drachenkopf und Zahnbrasse“. Die Beute aus dem Meer lässt Gollenz, Jahrgang 1995, gerne in sein „Innovationsmenü“ einfließen. Der Lohn für seine Küchenlinie, die auch französische und asiatische Akzente nicht ausspart: ein erster Michelin-Stern, zugeflogen im September 2021.

Michelin-Sterne-Pionier: Restaurant Draga di Lovrana in der Kvarner Bucht

„Andacht“ in der Fischkathedrale

Auch Hobbyköchen zugänglich ist die „Fisch-kathedrale“ in Rijeka. Mit diesem Adelstitel hat Ex-Monty-Python-Star und Reiseautor Michael Palin die Fischhalle von Europas Kulturhauptstadt 2020 gewürdigt. Ausschließlich Frauen preisen hier ihre Ware an, in sehr sanftem, sachlichem Ton, ohne Gebrüll: „Doraden, frische Scampi ...“ Connoisseur-Circle-Tipp: Besonders stimmig lässt sich das Treiben von einer inoffiziellen Besuchergalerie im obersten Stock des Ziegelbaus beobachten.
Der Fischmarkt ist aber nur ein Teil der Kvarner Schatzkammer mit ihren möglichst saisonalen, lokal-regionalen Köstlichkeiten. Umringt ist er vom Obst- und Gemüsemarkt, wo im Frühjahr die ersten „Vrgorac“-Erdbeeren aus dem dalmatinischen Hinterland „Nimm mich!“ schreien – so wie auch Wildspargel, Fleischtomaten, Mangold und Bärlauch. Herbst-Hits sind Maroni aus Lovran und Trüffel aus Istrien. Dauergast: das nicht minder gefeierte Olivenöl.
Die Kvarner Region profitiert zweifellos von der Kombination Küste-Berg und den kurzen Lieferwegen. Mediterran, kontinental und alpin – Vielfalt und Produktqualität verschmelzen auf engstem Raum. Frische Fische und Meeresfrüchte, frisches Wild oder Fleisch? Nema problema. Speziell das Lamm aus Krk hat – neben Schaf- und Ziegenkäse und „Prsut“ (Schinken) – eine treue Fan-Gemeinde. Es soll der Legende nach schon bei den Gelagen Neros im alten Rom serviert worden sein.

Hollywoodstar allein mit Wein

Uralte Inselspezialitäten bereichern die Feinschmecker-Landkarte genauso wie moderne Restaurants in ebensolchen Designhotels. Bei Lovran kocht das vor vier Jahren eröffnete Ikador – ein Leading Hotel of the World – in seinem hochpreisigen Nobilion Restaurant Foodies ein. Am anderen Ende des Lungomare, zwischen Opatija und Rijeka, klebt das durchgestylte Navis auf den Klippen. Dass man sich im gleichnamigen Lokal wie auf dem Panoramadeck eines Kreuzfahrtschiffs wähnt, ist kein Zufall. „Navis“ ist die lateinische Bezeichnung für Schiff. Vor Anker gegangen ist hier auch schon eine echte Hollywood-Größe: Owen Wilson war anlässlich eines Werbeshootings zu Gast – und suchte am winzigen Hotel-Kiesstrand die Gesellschaft einer Flasche Wein. Ob’s wohl ein autochthoner „žlahtina“ aus dem urigen Weindorf Vrbnik auf Krk war? Die Charmegemeinde auf einem Felsplateau ist von einem grünen Gürtel aus Weingärten eingefasst.
Top-Adressen sind das Vinotel Gospoja, in dem die Produkte aller sechs Kellereien des Ortes verkostet werden können, und das Weingut Nada mit Konoba und Restaurant in der Altstadt. Die Panoramaterrasse der Weinschenke mit Fernblick und Fässern, die zu Stehtischen umfunktioniert wurden, ist perfekt für den Aperitif.
Noch mehr Zauber wartet ein paar Hundert Meter vom Hafen entfernt: Dort schlummert der Sekt „Valomet“ am Meeresboden. Hergestellt wird er aus einer einzigen Sorte, der einheimischen Vrbnika žlahtina. Die Flaschen werden in Stahlgitterboxen in 30 Metern Tiefe gelagert, wo eine konstante Temperatur von zwölf Grad ideal für die Gärung ist. Ja, es ist schon ganz schön spritzig, dieses Füllhorn gastronomisch-önologischer Überraschungen im Genuss-Hotspot Kvarner.
www.kvarner.hr

Chic speisen im angesagten Navis-Restaurant

ELEGANZ & DYNAMIT

Eine Auswahl der besten Gourmetadressen zwischen Lošinj und Lovran, von highend bis casual.

■ ALFRED KELLER
1 Michelin-Stern, 3 Gault-Millau-Hauben und ein bestens sortierter Weinkeller machen das Hauptrestaurant im Boutiquehotel Alhambra in Mali Lošinj zum Place to be.

■ MATSUNOKI
Edeljapaner im Bellevue, fünf Gehminuten vom Alhambra, ebenfalls in der Cikat-Bucht von Mali Lošinj. Nicht nur die „Dynamite Rolls“ knallen am Gaumen. www.losinj-hotels.com

■ NEBO
Die Spielwiese des jungen Wilden Deni Srdoč im 5. Stock des Hilton Rijeka Costabella Beach Resort & Spa. Fine Dining with a view.
www.neborijeka.com

■ NOBILION
Im chicen Ikador-Hotel bei Lovran. Bereits mit 3 Hauben gekrönt.
www.ikador.com

■ NAVIS
In der gleichnamigen Design-Herberge an der Opatija-Riviera. Ebenfalls 2 Gault-Millau-Hauben, herausragende Scampi und Sushi.
www.hotel-navis.hr/de

■ DRAGA DI LOVRANA
In Lovran, in luftiger Höh’,
begann der Aufstieg von
Deni Srdoč. Erster Stern für
die Kvarner Bucht 2019.
www.dragadilovrana.hr

■ RUŽMARIN
Eine Instanz mit Konstanz.
Frischer Fisch vom Holzkohlegrill, Trüffelburger, tolle Pizza.
www.restaurant-ruzmarin.com

Text: Andreas Jaros