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Sonnenhof im Tannheimer Tal

Vier Sterne superior? Haben viele. Top-Wellnessbereich? Heute quasi Standard. 51 frisch renovierte Zimmer? Kann jeder. 1150 Positionen auf der Weinkarte? Das kann nur einer: Rainer Müller in seinem Sonnenhof im Tannheimer Tal. Das honorierte selbst der Restaurantführer Gault&Millau – und verlieh dem Tiroler Hotel die Auszeichnung „Beste Weinkarte des Jahres 2022“. Was dahinter steckt, wollte sich Connoisseur-Circle-Redakteurin Conny Derdak persönlich ansehen. Und hat dabei jede Menge über Weintrends erfahren – und warum es ein Fehler ist, Rotwein bei Zimmertemperatur zu trinken.

Text: Conny Derdak

„1967 war unser USP, dass wir die Ersten im Tal mit fließendem Warmwasser am Zimmer waren“, lacht Eigentümer und Weinexperte Rainer Müller. „Heute zeichnen wir uns durch die große Weinkarte und unser Gourmetrestaurant aus.“ 1150 Weinpositionen und 70 verschiedene Champagnersorten, Dutzende davon auch glasweise zu verkosten, sprechen für sich. Ebenso, dass einige der besten Weingüter Österreichs eigens für den Sonnenhof spezielle Sonderabfüllungen kreierten: die „Private Editions“ lumachelle von Tement, fulminant von Jurtschitsch, solenn von Sepp Moser und euphoria von Wachter Wiesler.

Gastgeber Rainer und Christina Müller mit ihren Sonderabfüllungen bekannter Weingüter. (c) Christian Schneider Photography

Qualität ist oberstes Gebot, nicht nur beim Wein
Die Weinkarte ist nicht nur mit Rainer Müllers Weininteresse, sondern auch mit dem Hotel mitgewachsen. In diesem hat sich viel verändert, seit er es von seinen Eltern übernommen hat: alpines Flair trifft auf Lifestyle, hippe Dekorationen und stylishe Lampen ziehen sich heute durch alle Bereiche des Hauses. „Es ist alles ein bisschen geradliniger und heller geworden. Man wird städtischer. Wir achten aber darauf, uns dennoch von Stadthotels abzuheben, indem hier alles mit viel Holz und hochwertigen Materialien gemacht ist“, zeigt sich Rainer Müllers Frau Christina stolz. In Qualität zu investieren, ist den Müllers seit jeher wichtig: „Wir werden nicht größer. Wir werden schöner und besser.“ Gleiches gilt für die extensive Weinkarte, die ihren Zenit jetzt mit 1150 Positionen aus einem ganz einfachen Grund erreicht hat: Platz. Denn schließlich wollen die unzähligen Flaschen auch gut gelagert werden.

Holz meets Industrial Chic: Hochwertige, alpine Materialien prägen den Sonnenhof. (c) Chilli photography

Es war einmal eine Weinmesse …
Im Alter von 20 Jahren begleitete Hotelchef Rainer Müller einen Weinverleger auf die Weinmesse Vinitaly in Verona – und kam sofort auf den (Wein-)Geschmack. Seitdem sollte in puncto Weinkarte nichts mehr so sein wie zuvor. „In Saalbach und Lech gab es immer schon tolle Weine, aber ansonsten ist den Wirten die Weinkarte hier in der Umgebung oft egal.“ Nicht so im Sonnenhof. Der heute 52-jährige Autodidakt Müller hat sich sein mittlerweile enormes Weinwissen selbst beigebracht. Und mit seinem Wissen ist auch die Weinkarte nach und nach gewachsen. Doch bis sie ihre heute 1150 Positionen erreichte, sollte es noch einige Jahrzehnte dauern. „Vor allem in den letzten Jahren ist die Weinkarte förmlich explodiert“, betont Christina Müller. „Als wir 2011 geheiratet haben, standen lediglich 120 Positionen auf der Karte.“ Seitdem hat sich die Auswahl verzehnfacht. Der selbst gebaute, „süße, kleine Weinkeller“ von damals platzte schnell aus allen Nähten.

Massenware? Fehlanzeige
Stillvoll präsentiert werden die Tagesweine heute in der Vinothek, in der auch regelmäßig Weinverkostungen mit dem Chef persönlich stattfinden. „Die Weine bei den Verkostungen ebenso wie die Weinbegleitung im Fine-Dining-Restaurant Alps&Ocean sind sehr hochwertig und ausgesucht. Bei uns gibt es keine alltäglichen Weine, keinen Mainstream“, erklärt der Weinexperte, der jeden einzelnen der hochwertigen Weine persönlich aussucht. Erscheint ein Wein im Sortiment eines Supermarktes, so verschwindet er ganz schnell aus der Sonnenhof-Karte.

Persönlich trinkt Hotelchef Rainer Müller am allerliebsten Champagner. (c) Ratko Medienagentur

Champagner-Flagship-Hotel Sonnenhof
„Wir fahren persönlich zu den Weingütern. Oder die Winzer kommen zu uns. Auch auf Weinmessen sind wir oft anzutreffen. Nächste Woche fliege ich in die Champagne zum Champagnerhaus Bollinger.“ Wenig erstaunlich, handelt es sich doch beim Sonnenhof nicht nur um ein Krug-, sondern auch um ein Bollinger-Flagship-Hotel. Woran man das erkennt? Außergewöhnlich viele Champagner des Traditionshauses werden glasweise angeboten, und auch der Cremant, der jedem Gast zur Begrüßung angeboten wird, ist von Bollinger – getarnt unter dem Namen Langlois-Chateau. „Wir trinken wahnsinnig gern Champagner“, schwärmt Müller.

Neben der Champagne zählen das Burgund und Bordeaux zu seinen liebsten Weinregionen, in Österreich stehen bei ihm die Steiermark und das Burgenland hoch im Kurs. Und seine Frau, eine gebürtige Bayerin, ergänzt: „Der Rainer mag sehr viele Regionen und Weine, wenn sie handwerklich gut gemacht sind. Wichtig ist, ob der Winzer eine Philosophie hat, ob er sich mit dem Produkt auseinandersetzt und sich etwas dabei denkt. Dann ist es eigentlich fast egal, aus welcher Region der Wein kommt.“ Auf der Weinkarte jedenfalls stammen 55–60 Prozent aus Österreich, die restlichen Positionen verteilen sich auf Frankreich, Deutschland und viele andere weinproduzierende Länder.

Schlanke, strukturierte Rotweine liegen derzeit voll im Trend. (c) Ratko Medienagentur

Weintrends 2022
Top-Tipp vom Experten? Orange Wines (Weißweine, die wie Rotweine herstellt werden) und Natural Wines (ohne Zusätze wie etwa Sulfite, oft geprägt durch eine trübe Erscheinung). Aktuell außerdem im Kommen: schlanke, strukturierte Rotweine, die oft länger auf der Maische vergoren werden. „Das ist ein Trend, den man gerade überall sieht. Generell geht die Tendenz zu weniger Alkohol, bekömmlicheren und leichteren Weinen.“ Auch bio ist hoch im Kurs, selbst in den klassischen Weinregionen. „Sogar Chateau Palmer, eines der berühmtesten Weingüter für Bordeaux-Rotweine, ist 2018 auf bio umgestiegen – das sagt schon was aus“, zeigt sich Müller beeindruckt.

Übrigens: Haben Sie es auch jahrelang falsch gemacht? Der Experte sagt: Trinken Sie Rotwein nicht bei Zimmertemperatur! „Bei uns sind alle Rotweine temperiert, sie kommen mit 15 Grad vom Keller direkt auf den Tisch. Einen Rotwein bei Zimmertemperatur zu servieren ist schwierig, weil man dann nur noch den Alkohol in der Nase hat. Der Brauch kommt ja aus einer Zeit, in der die Leute bei einer Zimmertemperatur von 18 Grad gelebt haben, und nicht bei 25“, klärt Müller die weitverbreitete Fehlinterpretation auf.



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