Eine Erfahrung fürs Leben: Wie das Healing-Resort Kamalaya den Körper und die Sinne streichelt. Und die Herzen für das Mögliche öffnet.
Noch sieht man sie allein an den Tischen sitzen, entspannt, und mit diesem Lächeln, das von Innen kommt. Aufatmen, durchatmen, die Außenwelt vergessen: Wenn einmal ihre Mobiltelefone ausgeschaltet sind und Stress allmählich Schnee von gestern wird, treffen sich die dann schon ruhigeren Gemüter nach den ersten, erschöpft verbrachten Entspannungstagen am Community Table. Er ist eine recht typische Einrichtung für Kamalaya.
Vogelperspektive: Im tropischen Dschungel Koh Samuis verbirgt sich Thailands Spa-Geheimnis.
Teile das Schöne.
Sei achtsam zu dir – und zu deinen Nächsten.
Vergiss Vergangenes und re-connecte dich mit der Natur und deinem inneren Ich.
Und so treffen sich Weltenbummler, ausgebrannte Manager nach ihrem ersten Herzstillstand, weitgereiste Signature-Spa-Expertinnen und diverse Wiederholungsgäste des Resorts abends in geselliger Runde an diesem Gemeinschaftstisch, um sich über eben genossene Massagen, Akupunkturtechniken oder den neuesten vorbeigekommenen Heiler auszutauschen.
Das Füllhorn an „Activity Schedules“, das sich als Potpourri von Möglichkeiten über den Gast im Kamalaya ergießt, ist nahezu unerschöpflich. Mehr als 70 unterschiedliche Therapien und Behandlungen stehen am Programm. Alles kann, nichts muss: Das Herz soll sich hier für das Mögliche öffnen, oder, wie es ein Gast beschrieb: visit, chill and fall in love. Dass es sich dabei auch um eine Liebeserklärung an die vielleicht besten Gastgeber der Welt, die Menschen Thailands, handeln könnte, ist nicht ausgeschlossen: Dreihundert in einer sogenannten Lotus-Academy geschulte Kamalaya-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen ungehetzt und ständig fröhlich über die wichtigste Ressource: Zeit. Dazu kommt eine Liebenswürdigkeit, die nicht schulbar ist. Als drittes Attribut: Professionalität, wohin der Muskel zuckt und das Auge blickt. Das beeindruckend trainierte Team an TCM-Medizinern, Heilpraktikern, Homöopathen, Ayurveda-Experten, Physiotherapeuten, energetischen Heilern und Fitness-Instruktoren könnte Thailand auf jeder medizinischen Olympiade würdig vertreten.
Dazu gesellen sich „Gastdozenten“ aus aller Herren Länder. Dr. Song zum Beispiel ist geborener Chinese, Reisender in Sachen TCM und hat seine Wohlfühl-Ordination aus England mitgebracht. Er gibt eine Kurzeinführung in fernöstliche Medizin, bevor es auf eine bequeme Liege geht und die Akupunkturnadeln ausgepackt werden. Zuvor noch werden Heilpunkte im Körper massiert, Bänder gedehnt und die Füße getriggert. Beruhigenderweise entpuppt sich Dr. Song nicht als ein Gott in Weiß – Allüren sind ihm fremd: Er verlege jeden Winter seine Praxis ins Kamalaya, nicht nur, um „dem grauenvollen britischen Wetter“ zu entfliehen: Bevor er komme, sei er anfangs jedes Mal selbst rund um die Hüfte, wie die meisten seiner Klienten hier. Doch spätestens nach ein paar Wochen habe sich das erledigt.
Heilung beginnt mit der Nahrungsaufnahme: Lernen, was gut tut
Detox ohne Stress
Das ruft nach einem Lokalaugenschein im Bauch des Kamalaya: Das Beste, was Südostasien an frischen Früchten auf den Teller bringt und leichte, vitale, oft vegetarische Kost verwöhnt den Gaumen im Soma und im Amritá Café, während eine frische Brise Meerluft der allerbeste Speisebegleiter beim Frühstück oder Abendessen ist. Im brandneuen Luna by Clara, einem Pop-up Restaurant des preisgekrönten Gourmet-Tempels aus Bangkok, werden zudem zwei verschiedene 7-Gänge-Menüs serviert, die auf eine zeitgemäße Interpretation lokaler, saisonaler Zutaten setzen und von Naturweinen oder antialkoholischen Getränken begleitet werden können. Detox, Entgiftung und Entschlackung, ist die Hauptsäule des Ernährungskonzeptes. Innovative, nie gehörte oder genossene Kunstwerke aus Pflanzen, Kräutern und exotischen Gewürzen überraschen den Gaumen kosmopolitischer Genießer. Klassiker wie Thai-Curries oder Suppen prickeln mit neuen Geschmacksnuancen. Gegessen werden darf auch in den Villen des Resorts. Geschickt bepflanzt, fast völlig uneinsehbar, erlauben sie größtmögliche Privatsphäre: Ein Badezimmer im Freien mit Außendusche, behagliche Matratzen, große Terrassen, der Strand in Steinwurfweite und eine pittoresk-tropische Hügellandschaft mit Blick auf ein azurblaues Meer wären für manche schon allein ein Grund hierherzukommen. Wie durchdacht die Landschaftsplanung vonstattenging, zeigt sich auch darin, wie ursprüngliche Natur in die Nutzung einbezogen wurde – Granitfelsen, Flüsse, Felsen, die schon jahrhundertelang hier lagen, begleiten den Gast auf Schritt und Tritt.
Der erste Schritt am frühen Morgen ist freilich eine Herausforderung, denn es geht steil den Weg bergauf – und das nach Kaffeeabstinenz und noch vor dem Frühstück. Das Wellness-Center mit seinen Behandlungsräumen rechts liegen lassen, tapfer weitersteigen, bis hinauf in den Yogapavillon. Morgenmeditation ist Thema an einem Tag, Qi Gong und Chakras am nächsten. Yoga wird jeden frühen Vormittag und manchen Abend großgeschrieben: Kenner wie Anfänger finden alle gleichermaßen hier ihr Ommmmm – sei es mit Therapeutic, Hatha, Ashtanga, Vinyas oder Ying. Ein Muay Thai-Kurs macht Müde munter. Stretching-Classes sorgen für Rückenmobilität. TRY-Suspension-Training, Pilates, Aqua Aerobics, Meditationskurse und Seminare verleiten zu Achtsamkeit und richtiger Atemtechnik: Es scheint, als ob es hier nichts gäbe, was es nicht gäbe.
Structural Revival ist vielleicht Kamalayas bestes Angebot für langjährige Schreibtischtäter oder Senatoren mit zu vielen Meilen auf dem Buckel. Aber auch als Fitmacher gegen das Älterwerden von Gelenken, Bändern und Muskeln eignet es sich hervorragend: Das Programm bietet einen schönen Querschnitt durch die Lebenswelten Kamalayas, in fünf, neun oder auch zwölf Aufenthaltstagen. Gleich zum Auftakt lädt eine indische Ärztin ein, sich mittels Körper-Bioimpedanz-Analyse ein genaues Bild über körperliche Abnützungserscheinungen zu machen. Dann geht’s schon los: Mit Massagen rücken Leem, Cherry und ihre Kolleginnen zuerst den Auswirkungen des hektischen Lebens „da draußen“ zu Leibe: traditionelle Fußmassage, therapeutische Thai-Behandlungen, Myofascial-Entspannungsmassagen, eine Oberkörper-Entspannungsbehandlung und – als Krönung – eine „Traditional Herbal Compress“ stehen zur Verfügung. Letztere vertreibt mittels heißen Kräuterbeuteln, geschickt platziert, auch noch die letzten Reste von Rückenschmerzen. Auch die Maschinentechnik ist auf ultimativem Stand: Die Pilates-Trainingsgeräte und ein Gerätepark im riesigen Fitness-Gelände lassen selbst bei hartgesottenen Sportlern keine Wünsche übrig. Dann zeigen Ginny und Poop, die Pilates-Trainer, den Novizen erst einmal die richtige Atemtechnik, bevor es am „Reformer“ zur Sache geht: Das richtige Atmen (in die Flanken). Die rückenschonendste Weise, um zur starken Mitte zu kommen. Die perfekte Balance.
Auch die liebenswert-strikte Or – „Or like hearing“ – fackelt nicht lang und legt mit dem Gast aus Europa eine Aqua-Fitness-Session im Sportpool hin, die jeden Gedanken an Wasser als besonders entgegenkommendes Element verwirft. Tags darauf zeigt Superstretching, dass Beweglichkeit selbst für Bürohengste erlernbar ist – und das sogar schon binnen einer Stunde.
Terrasse mit Aussicht: Hier atmen Geist und Körper durch.
Das große Ziel: Selbstermächtigung
Genug geschwitzt. Zeit für die Reise ins Spirituelle. Die Entfaltung des Geistes kann nur erreichen, wer ihn loslässt – und so soll eines jeden Reise hier mit einem großen Ziel beginnen: Selbstermächtigung. „Hebe die Kraft und die Saat des göttlichen Potentials, das in uns allen liegt. Verbinde dich mit der Natur, den Elementen und der Energie des Universums. Verbinde dich mit deinen Selbstheilungskräften und dem Visionär in dir. Lege Körper, Geist und Herz in eine Schale. Schätze, hege und pflege deine Persönlichkeit. Feel life’s potential. Lasse dich behutsam hinführen zu einem erfüllteren Leben.“
Ihren Gästen dieses andere Leben zu vermitteln haben sich beiden Gründer Kamalayas, der Kanadier John Stewart und seine Frau Karina, letztere mit Masterstudien in Anthropologie und TCM, zum Lebensinhalt gemacht. Ihr thailändisches Eldorado sollte nicht nur auf körperliche Regeneration und Wohlbefinden ausgerichtet sein; ein weltweit einzigartiges, holistisches Gesamtkunstwerk für Body & Mind würde es werden; ein Schnittpunkt von Orient und Okzident, eine sich perfekt ergänzende Wunderwelt aus fernöstlichen Heilmethoden und westlicher Medizin: Tao trifft auf Tibet, Ayurveda auf TCM und Thai-Kräuter.
Wie es dazu kam, ist eine Story für sich: 1982 reiste Stewart nach Koh Samui, um sich von einer Krankheit zu erholen. Als er durch den unerschlossenen Dschungel pirschte und an den Strand gelangte, kam er zu einer Art Höhle, die von einem buddhistischen Mönch als Gebetsstätte genutzt wurde. Genau dort wollten er und seine Frau ihren Lebenstraum umsetzen. Sie kauften das Grundstück. Und die Grotte. Mönch und Heiligtum sind seit damals spirituelles Zentrum – und wohl auch Erfolgsgeheimnis der Gründer: Ein ehrliches Interesse an jeglicher Art von Heilung, körperlich oder seelisch, liegt Kamalaya am Herzen. Wie schrieb ein Gast beim Abschied? „Ich fühlte mich hier gesünder und froher; friedlich, selbstbewusst und wirklich lebendig.“
Zurück an den Community-Tisch. Ein von Schlafproblemen Geplagter hat Reiki gemacht, mit Ronan, dem Therapeuten. Eine jugendlich-fröhliche Erscheinung aus Kalifornien im sogenannt „besten Alter“ ist schon zum siebten Mal da, ausschließlich, um Einzel-Yogastunden und Massagen zu kombinieren: „Definitiv ohne Kinder, Mann und Freundinnen“ und um einmal im Jahr nur auf sich selbst hören zu können. Der Finanzchef aus der Schweiz macht sein jährliches Rundumservice – Außenlack wie Innenpolitur. Die dreifache Großmutter aus Israel genießt Kamalayas Strand und den mittäglichen Kochkurs mit inspirierenden, gesunden Rezepten. Zwei Gäste sprechen über die neuen regenerativen Ozon-Therapien, die ihrem Immunsystem einen Push versetzten.
Die Tage verstreichen, aus Gesprächspartnern werden Freunde, aus überarbeiteten Geschöpfen Menschen mit Esprit und Plänen. Ein Kraftort sei das, wie es der smarte Holländer nennt, den eigentlich seine Freundin hierher empfohlen hat. Jetzt will er nicht mehr weg. Der Kopf wird frei, die Augen bekommen wieder Glanz und Ernährung und Bewegung tun ihre Wirkung. „Vierzig Prozent aller Gäste kommen immer wieder ins Kamalaya“, wird später Pierre Lang, der General Manager des Resorts und mit seiner Freundlichkeit selbst ein „typischer Kamalaya-Mensch“, erzählen: Der Spitzenhotelier mit beruflichen Stationen im Alila Hotels & Resorts auf Bali, Park Hyatt Maldives und in den Grand Hyatts in Dubai und Berlin lernte den Kraftort zuerst drei Mal persönlich als Gast kennen, bevor ihn die Stewarts fragten, ob er die Leitung übernehmen würde. Da war’s um ihn geschehen. Seitdem ist hier sein Arbeitsplatz.
Auf Kamalaya legt sich die anbrechende Nacht jetzt behutsam wie eine Decke. Inhale ... Exhale ... Gelassenheit und Frieden. Svetlana im Yogapavillon gibt noch mal den Takt vor, mit Trommeln und Gesang. Konzentration. Nach-innen-Hören. In der Ruhe liegt die Kraft. Und die lässt sich als Mittel gegen den Stress im Alltag auch mit nach Hause nehmen.
Haltung: Kraft von Innen und Außen.
Text: Andreas Dressler