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Göttlich in Frankreich: Flusskreuzfahrt mit der Amadeus Diamond

Auf dem Wasserweg sind es von Paris nach Le Havre und wieder zurück gerade einmal 355 Kilometer. Wer sie mit der Amadeus Diamond zurücklegt, braucht dafür eine ganze Woche. Dafür darf er sich an Bord des luxuriösen Flusskreuzers aber auch wie Gott in Frankreich fühlen und an Land die Pracht der Île de France sowie den rauen Charme der Normandie genießen.

Text: Jörg Bertram

Das Leben mag ja ein langer, ruhiger Fluss sein. Die Seine ist es jedenfalls nicht. Oder zumindest nicht hier, in Paris, beim Parc André-Citroën, nur drei Brücken vom Eiffelturm entfernt. 20 Minuten ist es her, dass ich meine Kabine auf der „Amadeus Diamond“ bezogen habe, aber schon jetzt lassen sich die vorbeigleitenden Lastkähne, Ausflugsboote und flotten (Ruder-)Dreier auf dem grün-grauen Wasser da draußen kaum noch zählen. Auch wenn diese Reise zur Abwechslung einmal keine Seefahrt wird, eine „Sehfahrt“ wird sie ganz bestimmt …

Der nächste Morgen: Über Nacht hat die Amadeus Diamond Conflans-Sainte-Honorine erreicht. Eine hübsche Uferpromenade, ein hoch über der Seine thronendes Schloss und ein schwimmendes Gotteshaus, das Binnenschiffern aus ganz Europa als Treffpunkt und Postanschrift dient – viel mehr hat das Städtchen am Zusammenfluss von Oise und Seine nicht zu bieten. Den meisten Flussreisenden dient es daher auch nur als Ausgangspunkt für einen Ausflug nach Auvers-sur-Oise. Pissarro, Daubigny, Cézanne und viele andere Impressionisten haben einst in der Künstlergemeinde gelebt. Van Gogh ist hier gestorben. Der kleine Friedhof, auf dem er beerdigt wurde, ist umgeben von leuchtenden Kornfeldern. Der Anblick hätte ihm bestimmt gefallen – so, wie auch die künstliche Sonnenblume, die irgendjemand an seinem Grab niedergelegt hat.

Feine Canapés und französische Chansons zum Aperitif


Zurück auf dem Schiff werden zum Aperitif feine Canapés und französische Chansons serviert. Es ist ein buntgemischtes, so gar nicht dem Klischee vom Flussschiff als „schwimmendes Seniorenheim“ entsprechendes Publikum, das sich in der Panorama-Lounge versammelt hat: Paare und Singles im allerbesten Best-Ager-Alter, zwei Familien in Drei-Generationen-Stärke, eine Partie Golfer, die sich die Seine rauf- und runterspielt … Die meisten von ihnen sind deutschsprachig – so wie auch die engagierten Servicemitarbeiter. Insgesamt bietet die 110 Meter lange und elf Meter breite Amadeus Diamond Platz für 146 Passagiere. Sie residieren in 62 Kabinen und zwölf Suiten, von denen die meisten über raumhohe Panoramafenster verfügen, die sich auf Knopfdruck in französische Balkone verwandeln. Wer will, kann sich also abends von leisem Wellengeplätscher in den Schlaf lullen und morgens von launigem Entengequake wecken lassen.

Camembert, Calvados, Cidre – die drei „hohen Cs“ der Normandie


Nichts gegen den Lachstoast, die pochierten Eier oder die ofenwarmen Semmeln aus der Bordbäckerei – aber in Rouen sollte man das ausgezeichnete Frühstücksbuffet auf der Amadeus Diamond links liegen lassen und gleich an Land gehen. Die Hauptstadt der Normandie ist nämlich nicht nur für ihre 100 Glockentürme und unzähligen mittelalterlichen Gassen bekannt, sondern gilt auch als wahre Genussmetropole. Für alle, die sich durch die Region schlemmen wollen, ist die Markthalle auf der Place du Vieux Marché „the place to be“. Neben den besten Austern der Stadt lassen sich hier auch die drei „hohen Cs“ der Region – Calvados, Camembert und Cidre – verkosten. Mein Tipp: Den Käse unbedingt mit einem Glas Apfelwein probieren, so machen es auch die Einheimischen. Und die wissen, wie guter Geschmack geht. Beeindruckendes Beispiel: der 75 Meter hohe „Butterturm“ der Kathedrale. Um im 15. Jahrhundert das nötige Kleingeld für seine Errichtung zusammenzubekommen, hat das Domkapitel bestimmte Lebensmittel – darunter eben auch die gute normannische Butter, kurzerhand zur „Sünde“ erklärt. Wer trotzdem nicht darauf verzichten wollte – und das wollten die wenigsten – konnte sich mit einem „Fastenalmosen“ freikaufen. Wie lukrativ der Ablasshandel gewesen sein muss, lässt sich heute noch an der prachtvollen Fassade des „Tour de Beurre“ ablesen …

Stadt, Land, Fluss – am heutigen Tag bekommen wir Passagiere alles geboten. Kurz nach dem Ablegen in Rouen wird die Seine plötzlich breiter, kurviger, verzweigter. Auf den letzten Kilometern vor dem Meer beginnt sie munter durch die inzwischen flunderflache und fast menschenleere Landschaft zu mäandern. Ebbe und Flut bestimmen jetzt den Kurs und sorgen dafür, dass zwischen Kuhweiden plötzlich große Kreuzfahrtschiffe sowie mit bunten Überseecontainern hochhaushoch beladene Frachtschiffe auftauchen. Der schönste Platz auf der Amadeus Diamond ist jetzt die River Terrace am Bug, auf der einem der frische Nordseewind um die Nase weht. Oder das kaum weniger aussichtsreiche Bordrestaurant, in dem zum Dîner gebratene Jakobsmuscheln, butter-zartes Saint-Pierre-Filet und lokales Lamm, „pré-salé“ auf den Salzwiesen vor den Panoramafenstern, auf die elegant gedeckten Tische kommen.

Le Havre markiert am nächsten Tag den nördlichsten Punkt unserer Reise. 32 Stunden wird die Amadeus Diamond hier vor Anker liegen. Genug Zeit für individuelle oder vom Schiff organisierte Ausflüge nach Étretat an die Alabasterküste, ins mondäne Deauville oder zum Likörpalast Bénédictine in Fécamp. Aber auch Le Havre sollte man sich unbedingt anschauen – selbst dann, wenn die Stadt nicht unbedingt Liebe auf den ersten Blick verspricht. Im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört, wurde das Zentrum von Auguste Perret völlig schnörkelfrei neu erbaut. Um Le Havre zu erkunden, schwinge ich mich auf eines der Bordfahrräder. Über breite, zumeist schnurgerade und im Schachbrettmuster angelegte Boulevards führt mich meine „Architektour“ unter anderem zur Église Saint-Joseph, einer modernen Kirche, die aus nichts als Licht, Glas und Stahlbeton zu bestehen scheint. 12.768 Fenster und ein 110 Meter hoher Turm, der bei schönem Wetter 60 Kilometer weit zu sehen ist, vermitteln einem hier den Eindruck, dem Himmel ganz nah zu sein. Weniger sakral, dafür aber nicht weniger sehenswert, ist auch das Perret-Muster-Appartement im Maison du Patrimoine. Mit Originalmöbeln aus den 50er-Jahren eingerichtet, wirkt es erstaunlich modern und ausgesprochen l(i)ebenswert. Noch ein kurzer Abstecher an Le Havres langen Stadtstrand mit seinen bunten Cabanas und wagemutigen Kitesurfern, dann geht es zum Schiff – und zurück in Richtung Süden.

So sinnlich geht Savoir-vivre auf der Seine


Den Kapitän beim Schleusen beobachten, eine Runde Shuffleboard spielen und im Liegestuhl die Geschichte von Richard I. nachlesen, der sein Löwenherz aus Liebe zur Normandie in der Kathedrale von Rouen beisetzen ließ: Der nächste Tag an Bord fließt nur so dahin und endet erst, als die untergehende Sonne ein paar Eimer Goldlasur über die vorbeiziehenden Dörfer, Felsen und Rapsfelder kippt. So sinnlich geht Savoir-vivre, wenn man mit dem Flussschiff auf der Seine unterwegs ist …

Mit dem Garten von Claude Monet in Giverny steht am sechsten Tag unserer Reise noch einmal ein echtes Highlight auf dem Programm. Mehr als 40 Jahre hat der Maler und passionierte Gärtner hier zwischen blühenden Rabatten und seinem weltberühmt gewordenen Seerosenteich gelebt und gearbeitet. „Bildschön“ ist in diesem grünen Paradies aber auch sein Wohnhaus, dessen Räume so ausschauen, als hätte sie der Künstler nur kurz für einen Spaziergang hinunter zur Seine verlassen.

Der vorletzte Morgen unserer Reise: Bereits vor Sonnenaufgang hat die Amadeus Diamond wieder ihre Anlegestelle in Paris erreicht. Bis morgen dient sie uns jetzt noch als schwimmendes Hotel. Stadtnovizen haben für den heutigen Tag Stadttouren gebucht. Ich schnappe mir stattdessen lieber ein Bordbike und radle den Fluss hinauf. Auf der Île de la Cité setze ich mich kurz ans Ufer und schaue einem kleinen Junge zu, der ein selbstgebasteltes Holzfloß ins Wasser lässt. Ob der Fluss hinter der Stadt zu Ende sei, will er von seiner Mutter wissen. „Noch lange nicht“, würde ich ihm gerne sagen und von sechs aufregenden Tagen auf der Seine erzählen. Doch da sind die beiden schon weg – und auch sein Holzfloß ist Richtung Le Havre verschwunden.

Die Amadeus Diamond der österreichischen Flussreederei Lüftner Cruises ist zwischen Mitte April und Ende Oktober 2023 insgesamt 14mal auf einwöchigen Seine-Kreuzfahrten unterwegs. Mehr Infos: www.lueftner-cruises.com


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