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Die Zukunft der Kreuzfahrt

Jahrelang hieß es in der Kreuzfahrtbranche nur „mit voller Fahrt voraus“ – bis Corona für eine plötzliche Flaute auf allen Weltmeeren sorgte. Mit innovativen Konzepten und neuen Schiffen wollen die Reedereien nun aus der Krise heraus steuern und auch die Hürden der Zukunft sicher umschiffen. Ein Trendbericht von Kreuzfahrtexperte Jörg Bertram.

Um nach vorne schauen zu können, ist es manchmal hilfreich in die eigene Vergangenheit zu blicken. Das gilt in Zeiten wie diesen auch für die großen Reedereien, denen sieben Jahrzehnte vor Corona schon einmal der Gegenwind mit voller Wucht entgegenbließ. In den 1950er-Jahren war es jedoch kein kleines, die Welt in Atem haltendes Virus, das einen Orkan auslöste. Stattdessen war es das Aufkommen großer, Kontinente in wenigen Stunden verbindender Passagierjets, die das Geschäftsmodell „Passagierschifffahrt im Liniendienst“ untergehen ließ.
Doch auch in dieser Krise lag damals eine Chance – oder, ganz konkret gesagt, die Geburtsstunde der „modernen Kreuzfahrt“. Und heute? Da weht wieder ein rauer Wind, der Kurskorrekturen erfordert, um auf Erfolgskurs bleiben zu können …

Die Zukunft der Kreuzfahrt – 6 richtungsweisende Trends und Entwicklungen

1. Green Cruising: Kreuzfahren wird nachhaltiger
Vom (eher symbolisch) abgeschafften Plastik-Strohhalm hoch oben an der Bordbar bis zum schwerölfreien Hybridantrieb tief unten im Schiffsbauch: Das Thema Nachhaltigkeit wird in den kommenden Jahren eine noch zentralere Rolle spielen. Das liegt zum einen daran, dass es von der schon weit verbreiteten „Flugscham“ bis zum eher noch exotischen „cruise shaming“ nur ein kleiner Schritt ist. Zum anderen liegt es aber auch an den immer strenger werdenden Auflagen der Umweltbehörden. So dürfen bereits heute in allen EU-Häfen – sowie in sämtlichen zu „Emission Control Areas“ (ECA) erklärten Schutzgebieten – ausschließlich Treibstoffe mit einem Schwefelanteil von maximal 0,1% verbrannt werden.
Zu den Pionieren in Sachen Green Cruising gehört die norwegische Expeditions- und Postschiffreederei Hurtigruten, die nicht nur die weltweit ersten Hybrid-Expeditionsschiffe auf Kurs brachte, sondern u.a. auch sämtliche Einwegkunststoffprodukte von Bord verbannte, ihre Lebensmittelabfälle bereits um mehr als 20% reduzierte sowie Crews und Gäste bei Anladungen in das Sammeln von Müll miteinbezieht. Dazu passt ein weiteres Engagement aus dem hohen Norden: Ab 2026 will Norwegen faktisch nur noch strom- oder wasserstoffgetriebene Schiffe in seine Fjorde lassen. Wer die grüne Null beim Emissionsausstoß nicht erreicht, muss künftig draußen bleiben – und die ausgesprochen profitable Route Richtung Nordkap wohl aus seinem Reiseprogramm streichen …

2. Try me a river: Flüsse sind das neue Meer
Klein, fein, Rhein – oder vielleicht doch lieber Donau, Douro, Wolga und Mekong? Bis vor ein paar Jahren noch als klassische Seniorenreise verschrien, hat sich die Flusskreuzfahrt zum größten Wachstumsmarkt auf dem Wasser entwickelt. Das verdankt sie vor allem neuen Schiffen mit großzügigen Spa-Bereichen, Bordbikes für Landausflüge und speziellen Angeboten für Familien, Golfer oder Gourmets, Sie sind inzwischen bei vielen Anbietern zeitgeistiger Standard und erschließen neue Zielgruppen auf Stadt-Land-Fluss-Kurs.
„Der Trend geht ganz eindeutig in Richtung mehr Qualität und mehr Lifestyle“, das bestätigt auch Dr. Wolfgang Lüftner, CEO der österreichischen Flusssschiffreederei Lüftner Cruises. Mit Features wie gläsernen Infinity- oder Indoor-Pools sowie großzügigen Kabinen und Balkon-Suiten gehört die 16 Schiffe umfassende AMADEUS-Flotte zu den innovativsten und komfortabelsten auf Europas Flüssen. Auf Neuerungen setzt Lüftner aber nicht nur an Bord, „auch bei den Landprogrammen gilt es umzudenken. Weinbergwanderungen, Radtouren, Degustationen bei lokalen Produzenten oder individuelle Museumsbesuche und Konzerte werden immer stärker nachgefragt und etablieren sich als Alternative zur klassischen Stadtrundfahrt.“

3. Expedition Luxus: unterwegs bis ans Ende der Welt
Nicht weniger als 52 neue Expeditionskreuzfahrtschiffe befanden sich Ende 2019 im Bau. Die meisten von ihnen werden nach Fertigstellung und Pandemieende in der Antarktis oder Arktis ebenso unterwegs sein, wie auf dem Amazonas oder in der Andamanensee. Was sie sonst noch gemeinsam haben? Die höchstmögliche Eisklasse, umweltschonende High-Tech-Motoren sowie in vielen Fällen den Hang zum ausgeprägten Luxus: Helikopter für Land(aus)flüge oder U-Boote für Tauchgänge sind auf ihnen genauso zu finden, wie bis zu 200 m2 große Suiten und Gourmet-Restaurants auf Sterneniveau. Derart ausgestattet werden auch lange Expeditionsreisen künftig stärker in den Fokus rücken. So steht bei Silversea für 2023 beispielsweise eine 167-tägige Expeditionsweltreise auf dem Programm, während sich Schiffe wie die HANSEATIC inspiration von Hapag-Lloyd Cruises oder die australische Scenic Eclipse auf die knapp einen Monat dauernde Nordostpassage begeben.

4. Wegen Überfüllung geschlossen: Strategien gegen den Overtourism
Eine Zahl, die vielleicht überrascht: 2019 waren ca. 30 Millionen Kreuzfahrtpassagiere unterwegs – verteilt auf alle Kontinente und hunderte Hafendestinationen. Ungefähr 30 Millionen Besucher zählte im selben Jahr auch Venedig. Davon Kreuzfahrer: gerade einmal 5%. Die Branche für den Overtourism in der Lagunenstadt (und einigen anderen Hafendestinationen) verantwortlich zu machen, greift da also zu kurz. Trotzdem, Overtourism – und vor allem Overcrowding – sind Probleme, die auch die Kreuzfahrtindustrie betreffen und von ihr mitverursacht werden. Deshalb werden Exklusivverträge, die es nur noch bestimmten Reedereien erlauben würden bestimmte Häfen anzufahren, derzeit ebenso diskutiert, wie verlängerte Saisonzeiten für besonders beliebte Ziele, die vor allem im Sommer während weniger Wochen unter extremen Besucher-Peaks leiden.

5. Size matters: die perfekte Schiffsgröße
Megaliner oder Minicruiser? Bislang schlug das Trendbarometer in beide Richtungen aus. Auf der einen Seite wurden die Schiffe immer größer und verwandelten sich in schwimmende Städte für mehr als 6.000 Gäste. Auf der anderen Seite stieg vor allem im Luxussegment die Nachfrage nach kleinen bis mittelgroßen Schiffen sowie nach bis zu 200 Passagiere fassenden Yachten. Besonders letztere dürften in Post-Pandemiezeiten profitieren, wovon sich auch Julian Pfitzner, neuer CEO der Marke Hapag-Lloyd Cruises überzeugt zeigt: „Kleine, exklusive Schiffe mit großem, individuellem Platzangebot an Bord, außergewöhnlichen Reiseererlebnissen und ausgezeichnetem individuellem Service – das ist unsere DNA und ich bin sicher, dass diese Werte in Zukunft sogar noch stärker an Bedeutung gewinnen werden.“

6. Wo die Reise hingeht: die Trend-Destinationen
Im Mittelmeer führt kaum noch ein Weg an Montenegro mit seiner einzigartigen Fjordlandschaft vorbei. Außerdem steht auch Israel endlich wieder auf vielen Kreuzfahrtrouten. Ebenso erlebt das Schwarze Meer gerade ein Comeback. Im hohen Norden haben viele Anbieter ihr Angebot an Island- und Grönlandreisen ausgeweitet. Und nachdem der Kreuzfahrtboom in den Emiraten langsam abzuflauen scheint, zieht es immer mehr Schiffe in Richtung Indien, Mauritius, Madagaskar oder Seychellen. Für die Flussschiffe werden hingegen entlang vom Douro in Portugal so langsam die Anlegeplätze knapp.

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