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Exklusiv im Connoisseur Circle Interview: Lufthansa CEO Carsten Spohr steuert souverän durch die Krise

Lufthansa-Vorstandsvorsitzender Carsten Spohr gilt als einer der einflussreichsten Airline-Manager weltweit. Connoisseur Circle Luftfahrtexperte Kurt Hofmann begleitet den Lufthanseaten schon seit 18 Jahren – dieses Mal exklusiv zur Eröffnung des neuen Berliner Flughafens.

Die neuerliche Verschärfung der Corona-Pandemie sowie die Ausweitung von Reiserestriktionen bringen auch die Lufthansa-Gruppe noch stärker unter Druck. Der einst hochprofitable Konzern musste sich um finanzielle Unterstützung kümmern, um die Liquidität in der schwersten Krise der Luftfahrt einigermaßen im Griff zu haben. Auch darüber wollen wir mit Lufthansa-Chef Carsten Spohr auf dem Sonderflug LH 2020 von München zur Eröffnung des neuen Berliner Flughafens sprechen.

Bereits in der Senator Lounge am bayerischen Drehkreuz ist Zeit zum fachsimpeln – etwa mit Peter Gerber, dem CEO der Lufthansa Cargo. Oder mit Heike Birlenbach, Senior Vice President Sales Lufthansa Hub Airlines und Chief Commercial Officer (CCO) Hub Frankfurt. Auch Chef Carsten Spohr erscheint pünktlich, begrüßt persönlich die Gäste und das Personal in der Lounge. Immer freundlich, ist Spohr aber auch immer konsequent in der Sache: Geboren am 16. Dezember 1966 in Wanne-Eickel, redet er nicht lange um den heißen Brei und erwähnt gleich den extrem schwachen Monat November für die Lufthansa: „Gestern hatten wir nur elf Prozent unserer Kapazität in der Luft“, sagt er und fügt hinzu, dass man sich im historischen Vergleich auf dem Niveau von Mitte der 1970er-Jahre bewege. Damals hatte die Lufthansa rund 80 Flugzeuge im Einsatz. „Aber wenn ich an die Pandemie denke im Frühjahr, da hatten wir einen Flugplan wie in den Fünfziger-Jahren“, so Spohrgegenüber Connoisseur Circle. Unternehmenssprecher Andreas Bartel bittet derweil, zeitgerecht zum Gate zu gehen, da dort auch noch einige Kollegen der Presse warten, bevor wir alle zusammen nach Berlin zur langersehnten Airport-Eröffnung abheben.

Kerosin im Blut
Spohr arbeitete sich vom Praktikanten bis in den Chefsessel empor und ist seit dem 1. Mai 2014 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa AG. Sein Start vor sechs Jahren war alles andere als einfach. Da waren die zahlreichen Pilotenstreiks, die Passagieren und Unternehmen einiges abverlangten. Und da war auch der 24. März 2015, der Tag, an dem ein Airbus A320 der Germanwings in den französischen Alpen zum Absturz gebracht wurde. „Dieser Absturz bleibt nach wie vor das Schlimmste“, erklärt mir Spohr auf dem Weg zum Gate G 29, „schlimmer, als die Folgen dieser Pandemie.“

Carsten Spohr hat reichlich Kerosin im Blut. schließlich er ist auch Inhaber der Lufthansa-Kapitänslizenz für die Flugzeugmuster der Airbus A320-Familie. Auch sein Bruder Matthias Spohr ist Kapitän in der Lufthansa Gruppe. Am Gate angelangt, werden erneut die hier anwesenden Mitarbeiter und andere Gäste begrüßt. „In zwei Stunden wird der neue Airport eröffnet, ich kann es selber noch gar nicht glauben, dass es endlich soweit ist“, schmunzelt Spohr und hat das Lachen auf seiner Seite.

In Berlin sei Lufthansa Marktführer und die Flughafeneröffnung daher – auch mit neun Jahren Verspätung – ein historischer Tag für die Airline, die vor 94 Jahren in der deutschen Hauptstadt gegründet wurde. Mittlerweile sind am Gate weitere Gäste eingetroffen. Etwa der ehemalige Flughafen-Chef Michael Kerkloh und der gegenwärtige CEO des Münchner Airports, Jost Lammers. Überpünktliches Boarding an diesem sonnigen Samstag. Der nagelneue Airbus A320neo mit dem Taufnahmen „Brandenburg“ und dem großen Aufdruck „Hauptstadtflieger“ steht bereit. Aber Verspätungen sind in Zeiten wie diesen ohnehin kein Thema. 80 Prozent weniger Verkehr am Flughafen München machen keinen Stress. Spohr sitzt auf Platz 1A und wird während des kurzen Fluges noch ein Fernsehinterview geben.

Nach der Landung am „Berlin Brandenburg International“ geht es gemeinsam mit Johan Lundgren, dem CEO der easyJet, zur Eröffnungszeremonie. Dort wird Spohr auf den Airport-Chef Lütke Daldrup und jede Menge politische Prominenz treffen. Danach folgt noch eine Pressekonferenz, dazwischen das Gespräch mit
verschiedenen Persönlichkeiten. So wie alle anderen Airline-Chefs weltweit, will auch Spohr eine einheitliche Lösung, um in Europa wieder ungehindert fliegen zu können, etwa Corona-Tests. „Aber auch, dass wir im Interkontinentalverkehr zumindest wieder den Beginn einer Normalisierung sehen können. Doch das ist ein weiter Weg“, so Spohr. Er macht unmissverständlich klar, dass er im Langstreckenverkehr vor Mitte des Jahrzehnts keine Rückkehr zu den Zahlen von vor der Pandemie sieht. „Wir hoffen, vielleicht mit Testverfahren Anfang nächsten Jahres wieder einen Flugverkehr in die USA aufnehmen zu können, dies wird aber sicher auf einem niedrigen Niveau geschehen“, und er fügt hinzu: „Es kann für die transatlantische Beziehung nicht gut sein, dass zwischen den beiden wichtigsten westlichen Wirtschaftsräumen außer Luftfracht kein Flugverkehr möglich ist.“ Globalisierung, so fügt er hinzu, könne nicht funktionieren, wenn diese nur auf Güter oder auf den Austausch von Daten und Finanzströmen ausgelegt sei. „Wir brauchen auch Menschen die im Austausch sind.“

Mittlerweile ist es 16.45 Uhr. Unser Hauptstadtflieger hat eine andere Parkposition zugewiesen bekommen, die Gäste sind an Bord. Auch CEO Spohr erreicht nun – ohne Entourage – den A320neo. Sitz 1A. 58 kurze Flugminuten sind es nach München. Nach der überpünktlichen Landung erfolgt die kurze aber freundliche Verabschiedung: „Machen Sie es gut, war prima heute“, sagt Spohr und entschwindet in die Ankunftshalle des Münchner Flughafens.

Carsten Spohr im exklusiven Connoisseur-Circle Interview:

Herr Spohr, mit neun Jahren Verspätung hat nun die Eröffnung des neuen Flughafens in Berlin stattgefunden. Und das noch dazu in der größten Krise der Luftfahrt …
Carsten Spohr: Die Eröffnung, nachdem wir so lange warten mussten, ist gut und wichtig. Ein klein wenig Anlass zum Feiern, soweit die gegenwärtige Situation es zulässt. Vor Corona sind wir über 400 Mal pro Woche beide Flughäfen in Berlin angeflogen. Auf dieses Niveau wollen wir wieder zurückkehren, um unsere Position als marktführende Airline-Gruppe in der Hauptstadt weiter auszubauen.

Das Comeback des Geschäftsreiseverkehrs lässt bezüglich der Corona-Pandemie noch länger auf sich warten. Wie wichtig ist für Lufthansa touristischer Verkehr?
Man darf nicht vergessen, dass die Privatreisenden schon heute für die Lufthansa Gruppe enorm wichtig sind. Sie machen drei Viertel unserer Passagiere aus, gegenüber einem Viertel Geschäftsreisenden. Wir gehen auch davon aus, dass sich das Privatreisesegment nach Corona schneller erholt als das Geschäft mit Geschäftsreisen. Deshalb wollen wir auch wieder an unser Eurowings-Langstreckengeschäft anknüpfen, das wir bereits vor der Corona-Krise begonnen hatten. Damals hatten wir sieben Airbus A330 erfolgreich auf Ferienstrecken eingesetzt. Betrieben wurden diese touristischen Langstrecken damals von Sunexpress, Brussels Airlines und CityLine, was aufgrund der Komplexität nicht ideal war. Nun starten wir die Eurowings-Langstrecke neu und betreiben sie unter einem neu gegründeten AOC anstelle von drei unterschiedlichen Plattformen.

Die Lufthansa Gruppe verfügt über zahlreiche Marken, wie zum Beispiel Swiss, Austrian Airlines, Air Dolomiti, ... Hilft das in einer so schweren Zeit wie der Corona-Krise?
Wir werden weiterhin an unserer Multibrand-Strategie festhalten, denn wir haben diese starken Marken ja nicht ohne Grund. In unseren Heimatmärkten treten wir als lokale Anbieter mit großem Identifikationspotenzial auf, während wir im Hintergrund Synergien nutzen. In dieser emotionalen Branche ist das für unsere Kunden wie für unsere Mitarbeiter ein ganz wichtiger Faktor. Darüber hinaus wollen wir mit unserer zweiten Angebotslinie, der Eurowings, in Märkten präsent sein, die von unseren Drehkreuz-Airlines nicht bedient werden können. Das war vor Corona richtig und wird auch nachher so sein.

Wie lange kann Lufthansa diese Luftfahrtkrise überstehen?
Je geringer der Cash-Abfluss pro Monat, umso länger kann eine Airline überstehen. Wir haben unseren „Cash Drain“ von einer Million Euro Mittelabfluss pro Stunde auf eine
halbe Million Euro pro Stunde halbiert, und wir müssen diesen Wert jetzt noch weiter runterbringen. Dazu werden wir im Winter unser Kostensenkungs- und Restrukturierungsprogramm mit Hochdruck vorantreiben.

Ein Blick zur österreichischen Tochter AUA?
Auch in Österreich müssen wir mit Kostensenkung und Restrukturierung vorankommen, denn auch in Wien werden wir immer wieder mit kurzfristigen Reiserestriktionen konfrontiert. Das ist für die AUA keine einfache Situation. Sie muss mit großer Flexibilität auf immer neue Situationen reagieren – genau wie die anderen Airlines unserer Gruppe. Uns ist durchaus bewusst, welch wichtige Rolle die AUA für die internationale Anbindung Österreichs hat.



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