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Das Motto des diesjährigen Musikfestivals lautet „Visionen“.

Achtung Baustelle heißt es derzeit in Sachsens Hauptstadt Dresden. Vor dem Residenzschloss, vor dem Kulturpalast, der Semperoper und der Augustusbrücke, dem Hauptbahnhof – an vielen Ecken lauern Kräne, Baumaschinen und Schottergruben. Wieder einmal wird Dresden aufgehübscht. 2025 ist das Ziel. Für dieses Jahr hat sich Dresden als Kulturhauptstadt beworben. Noch weiß man nicht ob die Bemühungen Früchte tragen, aber schaden können Sanierungen nie. Das Motto lautet "Neue Heimat" wie Oberbürgermeister Dirk Hilbert stolz bei der Eröffnung der Musikfestspiele Dresden am 16. Mai in seiner Rede an das Publikum im Kulturpalast ausführte. Dresden auf der Suche was Heimat für die Stadt bedeutet. Möglich, dass hiermit versucht wird, ein Image als Pegida Zuhause abzulegen. Fremde sind auf alle Fälle in großer Zahl im „Florenz an der Elbe“. Und zwar in Gestalt von Touristen. Am milden Frühlingstag nach der Eröffnung der Musikfestspiele schieben sich Trauben an Menschen über die Brühlschen Terrassen und durch die Residenz, vorbei am Kulturpalast Richtung platzbeherrschender Frauenkirche.

Neues in der Neustadt
Die anmutige barocke Architektur der Altstadt kann man über die Augustusbrücke verlassen, um die Neustadt erobern. Schattenspendende Bäume, zahlreiche kleine Boutiquen und noch mehr Lokale beherrschen die Straßenzüge rund um die Heilig-Geistkirche. Die charmante Pastamanufaktur eignet sich ganz hervorragend für einen kleinen Zwischenstopp im netten Hinterhof.

Rund um das Veranstaltungszentrum Scheune tobt die Szene. Eine Mischung aus Berlin und Nottinghill ist hier entstanden. Trotz Graffiti an den Wänden, die Gentrifizierung hat hier voll gegriffen. Als Referenz auf die Jahre vor der Wende findet man hier einen Konsum und eine Deutsche Kneipe namens Planwirtschaft. Die Kunstpassage ist quasi ein Ableger der Hackeschen Höfe Berlin, nur in alternativer Aufmachung: knallige Farben und schräge Kunstwerke an den Hausfassaden.

Der Natur ganz nah
Nach dem Ausflug in das hippe Szene Viertel von Dresden entspannt ein Ausflug an die Elbe. Ausgangspunkt für eine Wanderung am Flussufer ist das "Blaue Wunder". Eine Hängebrücke, die zwei Stadtteile verbindet unter der auf der Elbe emsiger Schiffsverkehr herrscht. Man könnte stundenlang am Ufer marschieren oder man dreht eine Runde und lässt es sich in einem der Biergärten gut gehen. Dass der Fluss ganz anders kann, wird in jedem Klappentext der Speisenkarten extra erwähnt. Das Jahrhundert Hochwasser von 2002 sitzt hier wohl jedem noch in den Knochen.

Musik liegt in der Luft
Die Semper Oper ist die bekannteste Spielstätte für klassische Musik in Dresden, aber die Musikfestspiele Dresden haben sich kontinuierlicher Qualität gut eingeführt. In diesem Jahr finden sie unter dem Motto "Visionen" von 16. Mai bis 10. Juni statt.
Das Eröffnungskonzert spielte das Dresdener Festspielorchester unter Ivor Bolton. Zwischen den Werken von Weber und Schumann stand ein Highlight für die Dresdner auf dem Programm. Schubert Lieder von René Pape. Der Bassbariton ist hier geboren und Wohlwollen schlug dem groß gewachsenen Sänger entgegen. Er selbst schien sich in der Welt des Atlas und des Fischermädchens nicht so richtig wohl zu fühlen und nahm den Applaus mit großer Bescheidenheit entgegen.
Der nächste Abend versprach Frauenpower. Mirga Gražinytė -Tyla ist eine zarte litauische Dirigentin, die an das Pult vor das City of Birmingham Symphony Orchestra tritt und mit einem beeindruckenden Werk von Ligeti loslegte: Românesc. Pianist Kid Armstrong kam nach einer Serie von Absagen zum Zug. Schumanns Klavierkonzert geriet zu einer kleinen Leistungsschau des ehemaligen Wunderkindes, eine Interpretation des Stückes die trotz der dramatischen Gesten des jungen Pianisten zu stimmigen Momenten führte. Gražinytė-Tyla unterhielt spontan das Publikum mit launigen Worten, während das Klavier auf die Bühne gehievt wurde und machte kräftig Werbung für "ihr" Orchester. Ein charmanter Auftritt, der ihr Sympathiepunkte beim Publikum eintrug auch wenn sie nicht alle mit ihrem Dirigat überzeugen konnte. Ihre weichen fließenden Bewegungen sorgten sie aber für schöne Momente.

Chefsache
Am 18. Mai erfüllte sich Intendant Jan Vogler einen besonderen Wunsch. Die Uraufführung von Stücken drei lebender Komponisten. Vogler interpretierte diese am Cello begleitet vom WDR Sinfonieorchester und der Leitung seinem Chefdirigenten Cristian Măcelaru. Komponiert haben der Amerikaner Nico Muhly, der Deutsche Sven Helbig und der Chinesen Zhou Long – drei Kontinente – eine Story. Unabhängig voneinander schrieben sie ihre Stücke. Bei den Proben am Nachmittag traf man sich zum ersten Mal und lag sich sofort in den Armen vor Begeisterung. Ob man nun die Musik als sensationell oder nicht, ist nebensächlich, schließlich wann stehen schon drei Komponisten gleichzeitig für einen Applaus bereit?

www.musikfestspiele.com

Fotocredit: Oliver Killig


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