facebook
Drucken
Seite mailen

Für Weinliebhaber unter den Gourmets

Auf der Südseite des Brenners verschmilzt rund um Bozen und Meran alpine Bodenständigkeit mit italienischer Leichtigkeit. Kein Wunder, dass sich im sonnigen Südtirol erstklassige Weinmacher, kreative Spitzenköche und innovative Hoteliers gegenseitig zu immer neuen Höchstleistungen beflügeln.

Sonya Egger würde wohl kein normales Restaurant der Welt als Sommelière anstellen. Nicht, weil sie inkompetent oder uncharmant wäre. Im Gegenteil! Die Frau des Südtiroler Sternekochs Jörg Trafoier ist im gemeinsamen Restaurant Kuppelrain in Kastelbell eine perfekte Gastgeberin! Kaum einer weiß mehr über Südtiroler Wein als die Restaurant-Chefin aus dem Vintschgau.

Ihr Wissen teilt sie genauso großzügig wie die Preziosen aus ihrem imposanten Keller. Im Rahmen der Weinbegleitung zu den Menüs schleppt sie bei unserem Besuch eine Großflasche wunderbar gereiften Weins nach der anderen an den Tisch. Einige wurden exklusiv für sie abgefüllt. Manchmal serviert sie gleich zwei pro Gang. „Probiert doch mal zum Vergleich den hier“, hören wir immer wieder von einem der Nachbartische. Wie sich nur 50 Euro für ihre Weinbegleitung zum Sechsgängemenü rechnen können, bleibt Eggers Geheimnis. Jeden Finanzchef eines „normalen“ Restaurants würde eine so passionierte Sommelière in die Verzweiflung treiben. Denn Egger hat nicht die Konten, sondern nur ihre Gäste im Blick. „Jedes Glas Wein, das ihnen schmeckt, ist ein Mehr an Lebensfreude für sie – und auch für mich“, sagt sie.

Für die Weinliebhaber unter den Gourmets ist das Kuppelrain der Himmel auf Erden. Keller und Küche begegnen sich dort auf Augenhöhe. Seit 2001 hat Trafoier, der fast jeden Gang selbst an den Tisch bringt und erklärt, einen Michelin-Stern. Seine Küche verbindet – wie die vieler Südtiroler Spitzenköche – deftige, auf österreich-ungarischen Wurzeln basierende alpine Gerichte mit italienischer Leichtigkeit. Hervorragende Restaurants mit erstklassigem Preis-Leistungsverhältnis, großartige Weine, Top-Hotels sowie charmante Gastgeber mit tirolerischer Bodenständigkeit und einem Hauch italienischer „leggerezza“ machen die von Weingärten und Apfelplantagen durchzogene Region auf der Südseite des Brenners zu einem der begehrtesten Genussreiseziele Europas.

„Südtirol hat sich extrem gut entwickelt“, sagt auch Norbert Niederkofler. Der weit über die Grenzen Italiens hinaus bekannte Spitzenkoch hat nicht unerheblichen Anteil daran. Starallüren sind ihm – wie den meisten Spitzenköchen rund um Bozen und Meran – jedoch völlig fremd. „Die Initialzündung zum kulinarischen Aufstieg der Region haben nicht wir Köche sondern Winzer wie Alois Lageder gegeben“, meint Südtirols einziger Dreisternekoch ganz bescheiden. Die Weinbauern haben mit ihrer Qualitätsoffensive die Genießer angezogen. Erst danach haben sich auch die Restaurants und Hotels so enorm verbessert, erklärt der Küchenchef des Restaurants St. Hubertus im Hotel Rosa Alpina in St. Kassian. 
Lageder ist der Pionier des Südtiroler Qualitätsweins. Noch vor rund 40 Jahren wurden rund um den Kalterer See, einem der wärmsten Badeseen der Alpen, fast nur einfache Rotweine produziert. „1981 hat mir der legendäre amerikanische Weinmacher Robert Mondavi Mut gemacht, ganz auf Qualität zu setzen“, erzählt uns
der Top-Winzer beim Mittagessen auf der Terrasse seiner Vineria Paradeis in Margreid. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Lageder fand mit frischen, mineralischen und säurebetonten Weinen schnell einen eigenen Stil. Sein Löwengang Chardonnay ist einer der Top-Weißweine Italiens. Mit vier Linien, 40 Etiketten und 1,6 Millionen Flaschen pro Jahr ist er jedoch nicht nur einer der bekanntesten, sondern auch einer der größten Winzer Südtirols. Aber der Grand Seigneur des Südtiroler Weinbaus ist intelligent und bescheiden genug, um zu wissen, dass nicht er allein sich den von Niederkofler angesprochenen Aufstieg Südtirols zur Genießerdestination auf die Fahnen schreiben kann.

Mutmacher Mondavi
„Daran waren viele andere beteiligt – Elena Walch zum Beispiel“, erzählt Lageder. Als Quereinsteigerin hat die Architektin das Weingut der Familie ihres Mannes in Familie erstreckt sich rund um ein imposantes Renaissance- Schlösschen in der Nähe des Kalterer Sees. Weine von Walch und Lageder sowie vieler anderer Winzer und Kellereien finden sich praktisch in allen Top-Restaurants Südtirols. Winzer und Köche schätzen und fördern einander. „Ich finde es toll, dass die Gastronomen bei uns
auf ihren Weinkarten rund 80 Prozent einheimische Gewächse präsentieren“, sagt Hannes Pfitscher vom gleichnamigen Familienweingut in Montagna. Sein Pinot Nero Riserva aus der Steillage Matan gehört zu den besten Blauburgundern Italiens. Das Weingut Pfitscher mit seinem fast im Weinberg schwebenden Degustationsraum mit Blick auf

Tramin modernisiert und herausragende Weine hervorgebracht. Walch hat die Führung mittlerweile an ihre beiden Töchter Julia und Karolina abgegeben. In ihren Top-Lagen VIGNA Castel Ringberg
in Kaltern und VIGNA Kastelaz in Tramin bauen die Frauen Weine an, die das jeweilige Terroir perfekt zum Ausdruck und eine beeindruckende Eleganz ins Glas bringen. Julia Walch nimmt uns vor der Degustation in ihrem Bistrot in Tramin mit in den Wein- berg Kastelaz. „Die Lage ist allein schon aufgrund ihrer Südausrichtung etwas Besonderes, weil die meisten Hänge in Südtirol nach Osten oder Westen ausgerich- tet sind“, erklärt die Winzerin. Der sonnen- durchflutete Hang mit dem traumhaften Blick auf Tramin ist ideal für den samtigen Merlot Riserva und den Gewürztraminer. Walchs aktueller Lieblingswein ist aber der Chardonnay 2017 Riserva VIGNA Castel Ringberg. Die zweite Top-Lage der Bozen hat uns Sommelier Egon Perathoner empfohlen. Genauso wie die Kellerei St. Pauls, „in der man praktisch alles kaufen kann“. Anderswo mögen Genossenschaften eher Massenweine produzieren, in Südtirol kommen von ihnen absolute Spitzenweine. Für den Top-Cuvée „Primo“ aus der Genossen- schaftskellerei Terlan zahlen Weinkenner zum Beispiel rund 200 Euro. Sommeliers wie Perathoner, der mit Sterne- koch Reimund Brunner in den Anna Stuben im Grödnerhof in St. Ulrich arbeitet, suchen stets nach Geheimtipps, schätzen aber auch die Qualität der großen Anbieter.

In Südtirol produzieren auch Genossenschaften Top-Weine
Brunner kocht weitgehend mit lokalen Produkten, ergänzt seine Menüs im Winter aber auch mit Hummer, Trüffel und Gänse- leber, um die internationale Ski-Klientel in Gröden zufriedenzustellen. Der aus Klausen stammende Koch hat zuvor drei Jahre mit Hans Haas im Münchner Tantris gearbei- tet – und das Zeug für den zweiten Stern in den Anna Stuben. Trotzdem gibt sich auch Brunner bescheiden und bodenständig.

Sein Tipp für ein Essen nach einem Shopping- Bummel durch die Bozener Laubengänge ist nicht etwa ein hippes Szenelokal in der Provinzhauptstadt. „Ich gehe immer
wieder gern zum Vögele“, sagt Brunner. Das Wirtshaus am Obstmarkt mit seinen deftigen Klassikern sei einfach eine Institution. Ebenso wie das Restaurant Zur Rose im Zentrum von St. Michael Eppan, in dem Brunner seine
Ausbildung absolvierte. Und das bei
Herbert Hintner, einem der besten
Lehrmeister der Südtiroler Küche.
1995 bekam der Küchenchef erstmals
einen Stern, der das kleine Restaurant C bis heute schmückt.

Für jeden einzelnen Gang in seinem Menü würden wir wiederkommen: Für die als Carpaccio präsentierte Tafelspitz-Sülze. Das Bachsaibling-Tatar. Die göttlichen Graukäse-Ravioli aus Birnenmehl. Und natürlich auch für das saftig-zarte und außen krosse Hirschfilet, das Hintner niemals sousvide garen würde, weil „ich ja keine Marmelade mache“.
Wie Hintner gehört auch Quereinsteigerin Anna Matscher, die es von der Masseurin zur Sterneköchin gebracht hat, mit ihrem Restaurant Zum Löwen in Tisens zu den etablierten Top-Köchen in der Region.

In der gleichen Liga spielt auch Zweisterne- chef Gerhard Wieser, der im Hotel Castel aufkocht und sich als Mitherausgeber des Standardwerks „So kocht Südtirol“ als bodenständiger Genießer outet. „Knödel sind meine Lieblingsspeise“, verrät der Starkoch daher auch in seinem zweiten Bestseller, dem „Südtiroler Knödelbuch“ (beide Bücher sind im Athesia-Verlag erschienen).
„Knödel gibt es in Südtirol in jedem Gast- haus und in jeder Hütte – und fast immer sind sie gut“, sagt auch Andrea Fenoglio.

In seinem Restaurant Sissi serviert der charismatische Sternekoch jedoch Feineres. Fenoglio ist so etwas wie die Personifizie- rung der „Südtiroler Küchen-Melange“, wobei Fenoglio stärker Richtung Italien tendiert. Sein Settepiatti-Menü mit sieben kleinen, zum Teil ausgesprochen außer- gewöhnlichen Gerichten ist ein Fest für Gourmets, die sich gern überraschen lassen. Allein für seine Tagliatelle aus Tintenfisch auf Erbsenpüree mit ihrem faszinierenden Aromenspiel aus erdig-würzigen, süßlichen und maritim-salzigen Noten, oder für seine wachsweichen Gamberi Rossi unter einer Kartoffelcreme mit feinen Scheiben von im Block getrockneten Trüffeln lohnt sich der Besuch in Fenoglios herrlich altmodischem Lokal in der Meraner Altstadt.

Während der Sohn eines piemontesischen Vaters und einer österreichischen Mutter längst zum kulinarischen Establishment gehört, gilt sein Stammgast Christoph Huber zu den vielversprechendsten Newcomern. Im 2019 eröffneten Restaurant Zur Blauen Traube in Algund kocht der junge Meraner in entspannter Wirtshausatmosphäre konsequent lokal, aber enorm kreativ und auf handwerklich höchstem Niveau. Kein Wunder: Huber hat unter anderem ja auch bei Norbert Niederkofler gelernt ...

facebook
Drucken
Seite mailen