Das Geschäft mit den Private Jets boomt.
Der Business Aviation geht’s gut. Eine Aussage, die zunächst vielleicht Verwunderung hervorruft, wurde die Flugbranche von der Pandemie doch besonders hart getroffen. Das Segment Business Jets ist jedoch getrieben von jenen Business-Reisenden – und die müssen auf die gegenwärtigen Umstände schnell und flexibel reagieren können. Auf die Airlines ist derzeit nämlich kein Verlass. Viele sind immer noch mit eingeschränkten Kapazitäten und Flugplänen unterwegs. Daher sind 90 Prozent der Kunden im „General Aviation Business“ Geschäftsleute, die ihre Jets als Business Tools nutzen. Doch auch die Bedeutung im Leisure-Segment nimmt zu. Begehrte Fluggeräte sind unter anderem die Embraer Phenom 300 oder die Citation Jets von Cessna. Das sind die Flugzeuge, die im Moment stark gefragt sind und mit Reichweiten von bis zu 2.500 Kilometern die Anforderungen der allermeisten Kunden bedienen.
Die in Frankfurt am Main ansässige Firma Aircraft Finance Germany (AFG) arbeitet eng mit Luftfahrtunternehmen, Herstellern, Banken und Finanzinstituten auf der ganzen Welt zusammen und kann als eines der führenden Flugzeughandelsunternehmen betrachtet werden. In den letzten Jahren wurden über den Branchenspezialisten rund 100 Flugzeugtransaktionen im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar abgeschlossen. AFG versteht sich aber auch als Berater. Vielleicht heute mehr denn je. Denn zur Zeit gibt es so viele „First Time Buyer“ – also Erstkunden mit ausreichend Geld, aber ohne Erfahrung und Know-how – wie nie zuvor. Ihnen gilt es vor allem die laufenden Ausgaben für so einen fliegenden Spiel- oder Arbeitsplatz zu vermitteln: Versicherung, Wartung, Standplatz, Crew, Instandhaltungsprogramme für Triebwerke – die Running Costs sind ebenso hoch wie mannigfach. Oft geschehen solche Kaufentscheidungen in der Phase einer Euphorie, weil es einfach cool und sexy ist, ein eigenes Flugzeug zu besitzen, wissen die Experten von AFG. Das Wichtigste sei es aber, ein Flugzeug für die wahren Bedürfnisse des Kunden zu finden.
Und so funktioniert es: Ein Interessent unterzeichnet ein „Aircraft Sourcing Mandate“, dann wird das Modell, konfiguriert nach den Bedürfnissen und Wünschen des Kunden, gesucht und vermittelt. Wichtige Faktoren dabei sind das Budget, die geplante Homebase, die Anzahl der Passagierplätze und die meistangeflogenen Destinationen. Spezielle Ausstattungswünsche oder WIFI an Bord sind natürlich Extras. „Insgesamt ist der Anteil an Neukunden, die ein Flugzeug kaufen wollen, um 30 Prozent gestiegen“, erklärt Christian Hatje, Managing Director Business Aviation & SVP Commercial bei AFG. Und das könnte so bleiben. Denn nach wie vor streichen viele Fluglinien ihre Routen oder nehmen diese viel später wieder auf. Zudem wird der Langstreckenverkehr sich wahrscheinlich nur langsam und über mehrere Jahre erholen. Kein Wunder also, dass es bei manchen Flugzeugtypen in Europa mehr Nachfrage als Angebot gibt – wie zum Beispiel beim Phenom 300. Wenn ein Interessent bei diesen Light Jets dann in den USA fündig wird, ist der Aufwand enorm hoch, muss das Flugzeug schließlich zunächst einmal von den USA nach Europa überstellt werden. Außerdem sind spezielle Modifikationen nötig, die sehr teuer werden können.
Kosten-/Nutzenrechnung
Trotzdem gibt es immer noch genügend Flugzeuge auf dem Gebrauchtmarkt. Auch das ist ein Grund dafür, dass der Wertverlust eines Privat Jets in den ersten zwei Jahren enorm ist. Nach fünf Jahren ist das Gerät dann nur mehr die Hälfte wert. Außerdem sollten Interessierte nicht vergessen, dass ihr Flugzeug vielleicht nur 150 bis 200 Flugstunden pro Jahr absolviert und viele Jets zumeist unbenutzt am Boden stehen. Ob neu oder gebraucht – den richtigen Zeitpunkt für den Kauf oder Verkauf eines Private Jets zu finden, ist schwer. Wer einen neuen Airbus Corporate Jet oder einen Boeing Business Jet direkt beim Hersteller in Auftrag gibt, muss bis zu drei Jahre warten, bis sein Jet mit der gewünschten Innenausstattung ausgeliefert wird. Lange warten müssen mitunter aber auch die Verkäufer von gebrauchten Maschinen. Denn es gibt durchaus auch den ein oder anderen Ladenhüter. Wenn man den Zug verpasst hat, bekommt man sein Flugzeug kaum verkauft. Das gilt vor allem für ältere Maschinen, die „Out of Production“ sind und bei denen der Wartungsaufwand nicht mehr im richtigen Verhältnis zum Flugzeugwert steht. Eine ältere Challenger 601 oder 604 sowie in die Jahre gekommene Modelle von Hawker, Learjet, Falcon oder Gulfstream wird kaum noch ein Kunde in Europa kaufen wollen. Denn man muss bedenken, dass viele dieser älteren Maschinen Modifikationen und Upgrades, insbesondere für Future Air Navigation Systems, benötigen. So ein Update kann leicht mehrere hunderttausend US-Dollar kosten. Aus dem erstandenen Fluggerät wird dann schnell ein sehr teures Investment mit viel Aufwand und Zeit auf dem Boden.
Voller Stolz präsentierten oder eher diskret im Hangar parken? In Europa halten sich die Besitzer oder Nutzer von Private Jets zumeist sehr im Hintergrund. In anderen Regionen der Welt ist das anders. Da zeigt man gerne seine neue Global 6000 und definiert sich stolz als Überflieger. Grundsätzlich haben die Privatflieger aber ein bisschen an Jetset-Image verloren, was sicher auch daran liegt, dass immer mehr weltweit agierende Firmen ihre Headquarter von den großen Airport-Hubs wegverlegen und daher auf eigene Jets angewiesen sind. Da wird das Flugzeug schnell zum ganz normalen Verkehrsmittel, mit dem man einfach nur schnell von A nach B kommen will.
Und noch ein Trend zeichnet sich ab: Die sogenannten Bizliner, also Verkehrs-flugzeuge, die zu Privatjets umgebaut werden, verlieren an Bedeutung. Der Aufwand ist nämlich extrem hoch, und die Flaggschiffe von Gulfstream oder Bombardier bieten ohnehin schon jeden nur denkbaren Komfort – Betten, Bäder mit Dusche und viele weitere Individualisierungsoptionen inklusive. Außerdem fliegen neue Jets wie die Global 7500 oder G700 weiter, schneller und höher. Bei einer Flughöhe von 45.000 Feet und darüber, da gibt es „keinen“ Traffic. Und mehr als 14.000 Kilometer Reichweite sprechen zusätzlich für sich.
MEHR INFOS ZUM THEMA PRIVATE JETS
Im vergangenen Jahr wurden in Europa 154 gebrauchte Privatjets mit einem geschätzten Gesamtwert von 1,01 Milliarden US-Dollar gekauft. Der durchschnittliche Preis pro gebrauchtem Jet betrug 6,54 Millionen US-Dollar, was beweist, dass die Preise ziemlich stabil blieben, da die Nachfrage auch während der Krise stark blieb. Im Januar 2021 beispielsweise ging die Zahl der Business-Aviation-Flüge weltweit nur um 9,1 % im Vergleich zum gleichen Monat des Jahres 2020 zurück. Eine Analyse von Colibri Aircraft zeigt, dass in Deutschland 2020 die meisten gebrauchten Geschäftsflugzeuge verkauft wurden – 32 Privatjets im Wert von geschätzten 127 Millionen US-Dollar … Der zweitgrößte Markt war Großbritannien, wo 14 Privatjets im Wert von 118,2 Millionen US-Dollar die Besitzer wechselten. Auf Platz 3 folgt Malta, mit 16 gebrauchten Geschäftsflugzeugen und 112,1 Millionen US-Dollar Marktwert. Der europäische Privatjetmarkt hat sich während der Coronavirus-Krise jedenfalls gut behauptet. Dafür spricht auch, dass es 2020 mit 41.154 Abflügen nur 22,8 % weniger Flugbewegungen als 2019 gab.
Text: Kurt Hofmann