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Was macht ihn aus, den sogenannten neuen Luxus beim Reisen? Welche Herausforderungen bestimmen den (Post-Corona) Kurs der Luxustouristik? Und welche Chancen eröffnen sich in Anbetracht gegenwärtiger Krisen – von Covid-19 bis hin zum Klimawandel – für eine ganze Branche? Fragen wie diese trugen die Diskussionen rund um das HOME OF LUXURY by ITB Berlin, u.a. meisterlich erörtert von Marc Aeberhard und seinen wechselnden Gesprächspartnern. Wir waren für Sie dabei.
Text: Magdalena Nackler
Ja, auch die Digitalversion des HOME OF LUXURY by ITB ließ es zu, bei einer heißen Tasse Kaffee über die Paradigmen der Luxusreiseindustrie zu philosophieren und die großen Themen des (zukünftigen) Luxusreisens im kleinen aber feinen Kreise abzuhandeln. Und tatsächlich sind es gerade diese großen Themen und grundlegenden Wertvorstellungen, um die der Wind der Veränderung weht. Und die das Potential haben, unsere Definition von Luxus neu zu formieren.
Im Kern dreht sich die Frage dabei um die altbekannte Dichotomie: Haben oder Sein? Geht es nach Marc Aeberhard, führt uns der neue Luxus zurück zur Vorherrschaft des „to be“ gegenüber eines bloßen „to have“. Innerhalb dieser Vorstellung ist der Mensch – besonders der reisende – „member“ und lange nicht mehr „master of the universe“, geprägt von einer gewissen Achtsamkeit oder auch Demut gegenüber seiner Umgebung: Reisen als Privileg, nicht Konsumgut.
Das spezifisch Luxuriöse des Reisens wird – nicht nur deshalb – als sinnstiftende Erfahrung wahrgenommen, die das Selbst in seinem Wesen berührt und eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich und seiner Umgebung zulässt. Unser materielles Luxusverständnis hat sich längst demokratisiert, doch auch immaterielle Werte wie Zeit, Raum, Individualisierung etc. allein können, so Aeberhard weiter, den Ansprüchen von wahrem Luxus nicht mehr gerecht werden. Sie sind Teil und in gewissem Maße bereits Voraussetzung einer noch weiterreichenden, exklusiveren Vision von Luxus, die ihre Erfüllung in einer Art Symbiose von Sinn und Sinnlichkeit zu suchen scheint.
Sinn, insofern der Luxusreisende seine Erfahrung als sinn-stiftend und im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig erleben möchte. Das, was er tut, soll von Bedeutung für ihn oder die Welt sein. Sinnlichkeit hingegen ist zu verstehen als eine Art sensorischer Luxus, der ein Sich-Einlassen auf die Destination, die Natur oder das Sein im Allgemeinen erlaubt. Ein tatsächliches Abschalten der alltäglichen Reizüberflutung, ein Ent-spannen der tagtäglichen Anspannungen, ein Bremsen des rasenden Tempos, ein Entschleunigen der Gegenwart. Gemeint ist also gerade kein schnappschussartiges Trophäen-Sammeln bespaßender Erlebnisse ohne Rücksicht auf Verluste. Gemeint ist eine sinnstiftende Seins-Erfahrung mit dem Anspruch auf nachhaltige Wirkmacht.
Paradoxerweise sind es gerade diese immateriellen Werte, in welchen laut Aeberhard und Gesprächspartner Thomas P. Illes das immense Potential für die Gestaltung neuer Luxusprodukte und die Erschließung neuer Luxusmärkte liegt. Denn an der Luxustouristik und ihren spezifischen Möglichkeiten sei es, hier Exempel zu statuieren, sich ihrer Vorbildwirkung für den gesamten Reisesektor bewusst zu sein und so auch für eine allmähliche Demokratisierung neuer Reisewerte im Sinne der Verantwortlichkeit gegenüber unserer Welt zu sorgen.
Der Schlüssel? Ein Umdenken auf der einen Seite, Kommunikation auf der anderen. Entsprechende Werbe- und Marketingmaßnahmen müssten ergriffen werden, um die Menschen an der Hand zu nehmen und eben diese neuen Räume für sie zu erschließen, sind sich die beiden Gesprächspartner einig.
Ein Beispiel: Thomas P. Illes, Kreuzfahrtanalyst und maritimer Fachjournalist, verweist im Gespräch auf zwei diametral entgegengesetzte Zugänge zum Thema Kreuzfahrt: der eine macht darüber vergessen, wo man sich befindet - man könnte ebenso gut an jedem anderen Ort zu Land oder Wasser sein. Bar, Shop und andere Konsummöglichkeiten lassen sich in der fahrenden Stadt schneller finden, als das Deck oder ein simpel zu öffnendes Fenster, das eine frische Meeresbrise durch den Raum trägt. Die eigentliche Besonderheit der Schifffahrt, nämlich die unmittelbare Nähe zu Meer und Wasser, gerät im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Blick.
Der andere Zugang hingegen macht sich genau diese Besonderheit zu eigen: das Meer als Naturschauspiel, seine spezifische Dynamik, die Wetterphänomene auf See und die Nähe zum Element Wasser werden als integraler Bestandteil, ja sogar eigentliche USP der Cruise-Erfahrung betrachtet. Nicht die Ort- und Selbstvergessenheit stehen im Vordergrund (nicht also das bloße Haben eines Kreuzfahrt-Erlebnisses), sondern die Re-Connection mit dem Selbst & seiner Umgebung sowie das gegenwärtige Sein in der Er-fahrung der Welt.
Illes‘ sehr illustratives Beispiel lässt sich als paradigmatisch für eine chancenreiche Umdeutung unseres Verständnisses von Reiseluxus lesen. Erst wenn wir gelernt hätten, so Aeberhard, dass rein auf Konsum ausgerichtete touristische Angebote dem neuen Verständnis von Luxus nicht mehr genüge leisten, erst dann würde das immense Potential für die gesamte Branche erahnbar, das dieser Vision zugrunde liegt.