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„Das Luxussegment funktioniert hervorragend!“

Mit über 100 Hotels in 16 Ländern wurde die Iberostar-Gruppe durch die Pandemie besonders stark getroffen. Finn Ackermann, Global Commercial Director, blickt dennoch mit Zuversicht in die Zukunft. Mit CC VIP sprach er über die Veränderungen des Reisemarktes und über das wichtige Thema Nachhaltigkeit, das seiner Meinung nach endlich demokratisiert gehört.

Herr Ackermann, die Pandemie scheint vorerst gebannt, und die Tourismusbranche atmet gerade wieder auf. Tun Sie das auch?
Das tun wir ganz definitiv. Wir hatten ja fast 16 Monate Lockdown seit März letzten Jahres, auch wenn wir zwischendurch immer mal wieder aufatmen konnten. Das hat das Ganze besonders zäh gemacht, weil wir immer wieder öffnen konnten und dann wieder schließen mussten. Besonders schön ist gerade, dass viele an eine echte und nachhaltige Öffnung glauben. Das ist im Moment unser aller Erwartung, und deswegen atmen wir natürlich sehr, sehr freudig und bestimmt auf.


Sie leben ja selbst auf der Baleareninsel. Hat sich das Leben dort seit der Pandemie verändert?
Also meine Beobachtung - und ganz persönliche Meinung - ist, dass sich das Leben während der Pandemie natürlich verändert hat, und zwar in vielerlei Hinsicht. Ich glaube, dass wir alle durch diesen erzwungenen Stopp viele Dinge reflektiert haben und vielleicht auch anders bewerten. Was dann natürlich dazu führt, dass man mit einer gewissen Distanz Dinge an sich selbst oder an seinem Job beobachtet, die einen in bestimmten Bereichen zum Umdenken bewegen. Das war bei mir mit Sicherheit auch der Fall. Normalerweise reise ich extrem viel. Und mein fester Vorsatz ist jetzt, diese Reisetätigkeit, wenn möglich, zu reduzieren. Der längere Break hat mir persönlich gut getan.


Das heißt, Sie glauben auch, dass Geschäftsreisen nicht wieder zur Gänze so zurückkommen, wie es mal war?
Ich glaube, dass das Geschäftsreisesegment insgesamt das am stärksten gebeutelte sein wird, auch langfristig. Wir alle haben gelernt, vieles über Videokonferenzen zu erledigen, was sonst eine Reise erfordert hätte. In meinem Fall ist es eigentlich eher so, dass ich persönliche Begegnungen mit den Teams, mit Kunden und Partnern in den verschiedenen Destinationen suche, um mich auszutauschen. Und das funktioniert meiner Meinung nach online nicht besonders gut. Ich sehe zwei Trends. Erstens: die typischen Geschäftstrips werden wahrscheinlich nachhaltig reduziert werden. Der zweite: neue Incentive-Reisen. Ich glaube, dass die Gefahr besteht, dass wir uns voneinander entfremden, wenn wir nur über Video kommunizieren. Deshalb müssen in großen Firmen persönliche Treffen nachgeholt werden. Zum Beispiel durch ein oder zwei jährliche Events, die dann in einem Hotel zelebriert werden. Da könnten Zusammenkünfte organisiert werden, die vielleicht vorher gar nicht so üblich waren. Und dann wird auch der Teamaspekt mehr im Vordergrund stehen. Ich persönlich glaube, dass Firmen definitiv an so etwas arbeiten müssen und auch werden. Das wäre ein gutes Vehikel für Incentive-Reisen, die dann auch mit Workshops verbunden werden können. Solche Reisen werden wahrscheinlich einen Aufschwung erleben.


Iberostar operiert weltweit mit über 100 Hotels in 16 Ländern. Haben die meisten von ihnen schon wieder geöffnet?
Wir haben mittlerweile in allen 16 Ländern geöffnet. Was unser gesamtes Portfolio angeht, werden wir Ende Juni wahrscheinlich 95 Prozent geöffnet haben. Unsere Häuser in Amerika, in der Karibik, in Brasilien, in Jamaika, in der Dominikanischen Republik und in Mexiko sind alle geöffnet. Bis Mitte/Ende Juni werden wir auch in Spanien fast unser gesamtes Portfolio geöffnet haben. Meine Erwartung ist, dass wir dann tatsächlich Anfang Juli zu 100 Prozent geöffnet sind.


Hochwertiger Urlaub steht hoch im Kurs. Aber auch nachhaltiges Reisen ist ein Riesenthema. Wie antwortet die Iberostar-Gruppe darauf?
Wir bei Iberostar verstehen uns tatsächlich als Vorreiter beim Thema “nachhaltiges Reisen". Das klingt erst einmal unbescheiden, und das ist auch so gemeint. Wir wissen, dass wir tatsächlich mit unseren Nachhaltigkeitsinitiativen dem Markt ein sehr großes Stück voraus sind. Unsere Kerninitiative heißt „Wave of Change“ und ist bei uns ein Teil unserer DNA geworden. Das ist das Programm, mit dem wir die gesamte nachhaltige Entwicklung des Unternehmens vorantreiben. Es stützt sich hauptsächlich auf den Schutz der Ozeane und der Meere. In diese Richtung sind wir also nach UN-Maßgaben sehr stark unterwegs. Unser Thema ist hauptsächlich Meere und Meeresschutz, weil unsere Häuser zu 80 Prozent direkt am Meer liegen und weil wir unseren Firmensitz auf Mallorca haben, auf einer Insel im Meer. Da macht es natürlich viel Sinn, dass wir uns genau darum kümmern.



Was sind die Kernpunkte Ihrer Strategie?
Das konkretisiert sich in drei wichtigen Initiativen. Die eine ist die Reduzierung von Einwegplastik. Und wenn ich Reduzierung sage, meine ich Eliminierung. Wir haben schon seit 2020 in all unseren Hotels weltweit sämtliches Einwegplastik eliminiert. Und da rede ich nicht über den Strohhalm im Glas, ich rede über sämtliche Prozesse in Front- und Backoffice. Tatsächlich verwenden wir nirgendwo mehr Einwegplastik. Das führt dann so weit, dass der Müllbeutel im Gästezimmer aus Kartoffelstärke und nicht mehr aus Plastik ist. Inzwischen haben sich unsere Ziele jenseits von Plastikvermeidung noch zu einem Vorantreiben der Kreislaufwirtschaft erweitert. Also ein Betriebsmodell, in dem Abfälle und Restmüll komplett vermieden werden oder gar nicht erst anfallen. Und in dem Rahmen haben wir eine eigene „Agenda 2030“ etabliert. Eines der Ziele ist es, bis 2025 weltweit in all unseren Hotels keinen Restmüll mehr zu produzieren, also „wastefree“ zu sein.
Die zweite Säule der „Wave of Change“ ist der Schutz der Küstenregionen. Dafür werden Mangrovenwälder in der Umgebung unserer Hotels aufgeforstet, die auf natürliche Weise die Küsten vor Erosion schützen. Nebenbei haben Mangroven eine gute Wirkung bei der CO₂-Bindung. Wir haben außerdem ein Meeresbiologenteam, das eine Korallenstation in unserem Komplex in der Dominikanischen Republik aufgebaut hat, in der wir auch eine Gen-Datenbank verwalten. Dort wird zusammen mit renommierten Universitäten und Wissenschaftlern aus der ganzen Welt daran geforscht, wie die Korallenbleiche verhindert werden kann.
Die dritte Säule der Wave of Change ist unser nachhaltiges Seafood. Unser Ziel ist es auch hier, bis 2025 hundert Prozent unseres Fisch- und Meeresfrüchtekonsums komplett nachvollziehbar und nachhaltig zu generieren. Also versuchen wir wirklich, den Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Noch einmal ganz kurz zu der „Agenda 2030“: Ein aus meiner Sicht extrem wichtiges Ziel ist es, dass wir bis 2030 klimaneutral operieren wollen. 2030 schaffen wir. Und daran arbeiten wir.

Ganz schön ambitioniert für eine so große Hotelgruppe wie Iberostar?
Es ist wichtig, Umweltschutz und Nachhaltigkeit auch zu demokratisieren, sie aus der Nische der Öko-Lodge auf Bali herauszuholen, denn das ist jetzt ja kein Produkt für den größeren Markt. Es ist wichtig, zu demonstrieren, dass das auch auf einer viel größeren Skala möglich ist. Mit dem Portfolio von über hundert Hotels, die teilweise 200 bis 700 Zimmer haben, ist das natürlich eine ganz andere Herausforderung. Damit machen wir so ein nachhaltiges Urlaubsmodell auch für den Durchschnitt der Bevölkerung erlebbar. Und das ist ein sehr wichtiger Aspekt.

Sie haben gerade erwähnt, dass manche Iberostar-Hotels sehr viele Zimmer haben. Man hört ja, dass Reisende jetzt nach mehr Privatsphäre oder privaten Villen suchen. Spüren Sie das bei der Nachfrage?
Grundsätzlich gilt ja, je höher der Standard ist, desto mehr Platz gibt es für den einzelnen Gast. Das könnte eine Erklärung sein, warum momentan der Luxusmarkt, was unser Portfolio betrifft, relativ stark nachgefragt wird. Also unsere Luxushäuser „Iberostar Grand“ – unsere Fünf-Sterne-plus-Hotels sind allesamt natürlich kleiner. Um auf Mallorca zu bleiben: Unser Iberostar Grand Portals Nous hat lediglich 66 Suiten und ist eher ein Boutiquehotel. Und das hat jetzt einen extrem guten Zulauf, wahrscheinlich gerade aus diesem Grund. Aber auch innerhalb der größeren Komplexe haben wir Zimmertypen, die dieses Maß an Privatheit oder Abgeschiedenheit garantieren. Auch mit Private Villas.

Welche Iberostar-Hotels bieten denn Private Villas?
Zum Beispiel das Iberostar Grand Paraiso in Mexiko.

Wie sehen Sie die Zukunft der Touristik? Glauben Sie, dass sich Reisen im nächsten oder übernächsten Jahr wieder normalisiert oder sich eher nachhaltig verändert? Werden die Leute, wie es jetzt der Trend ist, weiterhin kurzfristiger buchen und länger bleiben? Oder wird es bald wieder Overtourism geben?
Ich glaube tatsächlich, dass wir schnell zu einer relativen Normalität zurückkehren können. Es wird mit Sicherheit mittelfristig und langfristig sowieso irgendwo Initiativen geben, um bestimmte Arten von Tourismus zu limitieren oder bestimmte andere Arten zu maximieren. Aber das ist ein eher mittel- oder langfristiger Prozess, der ja auch ein sehr konkretes und gezieltes Handeln der Politik in den Destinationen voraussetzt. Ich glaube, dass wir im nächsten Jahr ein gutes Touristikjahr haben werden. Es ist ja wirklich interessant zu beobachten, dass es in jedem Land momentan einen ähnlichen Trend gibt – hin zu höherwertigen Produkten, zu kurzfristigeren Buchungen, zum Reise-Boom an sich. Das ist ja kein deutsches Phänomen. Und wenn das dann global zusammenkommt, dann entsteht schon ein relativ starker Nachfrageschub, der dazu führen wird, dass wir aus meiner Sicht im nächsten Jahr ein gutes Touristikjahr haben werden. Sogar schon ab dem kommenden Winter – sofern denn alles so weitergeht, wie wir es momentan sehen, und uns nicht wieder neue Virusvarianten Steine in den Weg legen. Aber davon gehen wir jetzt alle einfach mal nicht aus.

Welches ist Ihr liebstes Iberostar-Hotel?
Oh, das ist eine schwierige Frage. Aber ich nehme die Herausforderung mal an. Also ich glaube, meine liebstes Iberostar-Hotel ist das Iberostar Selection Andalucía Playa in der Nähe von Cádiz. Weil die Gegend, der Strand und das Hotel wunderschön sind.

Sie haben ja auch in der Trenddestination Montenegro ein paar Hotelobjekte …
Ja, richtig. Das ist ein sehr spannendes Land. Es ist ja auch in den letzten zwei, drei Jahren ein bisschen als Geheimtipp gehandelt geworden. Und da tut sich unheimlich viel. Die wunderbare Bucht von Kotor, die so sehr an eine italienische Seenlandschaft erinnert, und dann hat man da diese alten venezianischen Paläste, die ganz toll renoviert sind. Eines davon ist ja unser Iberostar Grand Perast. Das hätte ich Ihnen auch als eines meiner Lieblingshotels nennen können. Es ist ein absolutes Juwel. In Montenegro passiert gerade extrem viel im Luxussegment, und das ist natürlich für den internationalen Markt sehr spannend. Es gibt zum Beispiel auf einmal viele Amerikaner, die jetzt auch wissen, wo Montenegro liegt.

Interview: Simone Dressler

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