LUXUSHOTELTEST
Welchen Reiz übt ein Bahnhofshotel auf den Gast aus? Er dürfte eher mäßig sein und nur der praktischen Nähe zur entsprechenden Station dienen. Das St. Pancras Renaissance Hotel in London überraschte uns daher in vielerlei Hinsicht: Die Umgebung ist schick mit Streetlife des angesagten Viertels Camden / King's Cross. Der geschichtsträchtige Bau mit viktorianisch-gotischer Architektur, von dem berühmten Sir George Gilbert Scott erbaut, war bereits 1873 bei seiner Eröffnung das luxuriöseste Haus der Hauptstadt. Es war und ist Teil des spektakulären Baukonstrukts der Bahnstation St. Pancras der Eisenbahngesellschaft British Midland. Nun, 138 Jahre später, wurde an dieser Stelle das Renaissance St. Pancras Hotel eröffnet. Das Investitionsvolumen von sage und schreibe 200 Millionen Pfund lässt erahnen, mit welch akribischer Sorgfalt restauriert wurde. Größter Wert wurde darauf gelegt, die Räume von historischer Bedeutung möglichst detailgetreu wiederherzustellen. Die auffällige Fassade mit roten Backsteinziegeln gleicht einer etwas kleineren Version des House of Parliaments und versprüht den Glanz und Charme viktorianischer Zeiten.
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Rezeption
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Spa
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Pool
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Außenansicht
Beim Betreten des Fünf-Sterne-Prachtbaus ist der erste Eindruck überwältigend: Es ist eine Mischung aus nobler Bahnhofshalle, Kathedrale und Museum mit behaglich einladendem Ambiente. Die Lobby hat den Charakter einer Orangerie mit Palmen, riesigen, dekorativen Vasen und überdimensionaler Glaskuppel. Bevor wir zur Rezeption gehen, lassen wir die kosmopolitische Atmosphäre auf uns wirken. Hier mag man verweilen, nicht nur zur Teatime, möchte sehen und gesehen werden, denn „tout le monde“ flaniert entlang. Apropos: Der Eurostar verbindet London von der ebenfalls stilvoll restaurierten St. Pancras Station nonstop durch den Eurotunnel mit Paris. Die Hotelhalle bietet sich auch als idealer Treffpunkt an, um anschließend im „Gilbert Scott Restaurant“ zu lunchen oder zu dinieren. Unter Leitung von Marcus Wareing, einem der meistgefeierten Köche Großbritanniens, der sich bereits zwei Michelin-Sterne erkocht hat, wird das Restaurant im historischen Entrée vermutlich zu einer der In-Locations in London avancieren. Zunächst aber das beeindruckende Herzstück des Hotels: „The Grand Staircase“, ein wahrhaft royales Treppenhaus mit kunstvoller Gewölbedecke und 15 Meter hohen Bogenfenstern. Kaum zu vermeiden, dass man hier schreitet statt geht, wenn man im historischen Teil der St. Pancras Chambers eine der 38 eleganten Suiten aufsucht. Als Sir George Scott das Haus im 19. Jahrhundert entwarf, verpasste er jedem Raum einen anderen Grundriss. Die Decken mit sechs Meter Höhe, die hohen, schmalen Bogenfenster und historischen Kamine blieben erhalten. Wir freuen uns über viele durchdachte Details, zum Beispiel Sachbücher über die verborgenen Seiten Londons. Wohlbefinden stellt sich auch im Luxus-Spa mit Pool und beim erstklassigen Treatment in einem der sechs Behandlungsräume ein. Den letzten Schliff erhält man (leider Gentlemen only) im Melogy Barbers, einem der Top-Hairstylisten in London. Das St. Pancras Renaissance Hotel umfasst insgesamt 245 Zimmer und Suiten, von denen sich der Großteil im neu entworfenen Anbau mit gleicher Außenfassade befindet. Sie sind komfortabel und geschmackvoll eingerichtet, können jedoch nicht mit dem Flair der historischen Chambers konkurrieren. Einige Räume geben den unmittelbaren Blick auf die St. Pancras Station und die Eurostar-Züge frei, die gen Paris und Brüssel gleiten. Ein zuweilen leise vibrierendes Geräusch erinnert daran – es ist nun mal ein Bahnhofshotel …
Angelika Moeller