Ewige Schönheit. Große Worte. Aber wenn sich das historische Zentrum einer Stadt diesen Superlativ verdient, dann das von Rom! Die Magie vergeht nie – auch dank Trevi, Supplì, Fendi, Bulgari.
Text: Andreas Jaros
Der Trip in die Hauptstadt Italiens, des untergegangenen römischen Imperiums und des unsichtbaren Reichs des Glaubens beginnt mit einem klischeehaften, wilden Ritt mit dem Taxi vom Flughafen Fiumicino in das Zentrum. Der Fahrer prügelt seinen Wagen durch den Verkehr, nützt wirklich jede sich bietende Lücke und gibt, bis auf Rot-Phasen, fast durchgehend Vollgas. Ein Fahrstil mit Folgen: Das desolate Handschuhfach öffnet sich immer wieder und schlägt mir aufs Knie – dezent, aber doch. Dennoch ist, naturalmente, ein Abschlag vom 50 Euro-Tarif impossibile, als das Ziel in der Via del Corso erreicht ist und ich dankbar aus dem Wagen wanke.
Dankbar dürfen auch alle Wiederholungstäter unter den Besuchern sein, die die klassischen Sehenswürdigkeiten schon bestaunt haben. Diese werden und wurden nämlich gnadenlos überrannt – 2023 dürfte sich für Rom zum touristenreichsten Jahr der Geschichte ausgewachsen haben. Das Kolosseum, für Stendhal „die schönste aller Ruinen, die die ganze Majestät des alten Roms atmet“, musste auf Anordnung der Behörden im Oktober mit personalisierten Eintrittskarten gladiatorengleich den Schwarzhandel bekämpfen. Sixtinische Kapelle? Stundenlanges Anstehen für ein paar Sekunden Ohhhh. Oder der Petersdom, schon vor vielen Jahren von Reisemagazinen als No-Go-Area geoutet: Von Sicherheitsleuten, Absperrungen und einer Heerschar fliegender Händler zu einem sehr weltlichen Ort umgestaltet. Der Trevi-Brunnen? Geflutet von Massen bei Tag und Nacht, Berührungsängste sollte man nicht haben. Wobei man dort ohnehin in den Untergrund abtauchen sollte, im Idealfall mit Guide: Die spannende „Vicus Caprarius“- Ausgrabungsstätte besteht aus einem Gebäudekomplex aus der Römerzeit und einem letzten erhaltenen Abschnitt des „Jung-fräulichen Aquädukts“, das noch heute den Trevi- und andere wichtige Brunnen mit Wasser versorgt. Das archäologische Areal, das auch ein Museum beherbergt, war erst 1999 während der Restaurierung des Filmtheaters im gleichen Gebäude entdeckt worden.
Abtauchen in die Unterwelt
Das ist typisch für Rom, diese Stadt der Schichten: Es schlummern noch so viele antike Schätze in der Tiefe. So wurde nur einen Katzensprung vom Trevi-Brunnen entfernt, in einem alten Palazzo, der zum luxuriösen „Six Senses“ modelliert wurde, ein Taufbecken aus dem vierten Jahrhundert entdeckt. Hotelgäste, die sonst vielleicht eher zeitgenössischem römischem Bling-Bling von Fendi bis Bulgari zugeneigt sind, können das Relikt bequem durch einen Glasboden betrachten. Bei den Bauarbeiten für das Auditorium Renzo Piano – bei der Eröffnung 2002 das erste wirklich moderne Gebäude in der Innenstadt – stolperte man über die Reste einer Villa aus dem 4. Jh. v. Chr. Die Folge: Piano, auf dem falschen Fuß erwischt, musste sein Werk drumherum bauen, um es überhaupt realisieren zu dürfen. 3.000 Jahre Geschichte sind den Römern eben heilig. Hinter jeder Ecke, hinter jeder Piazza wartet Phantastisches, Glorreiches. Daher: einfach treiben lassen, durchaus planlos, und langsam Ergriffenheit einschießen lassen. Die stellt sich garantiert ein beim Anblick monumentaler, überwältigender, aber auch filigraner Gebäude. Kapellen, Kirchen, Basiliken, Museen, Galerien, Denkmäler, Säulen, plätschernde Brunnen. Meist umweht vom köstlichen Duft aus Bäckereien, Pizzerien, Osterien, Trattorien.
Vom kleinen Glück in der Via dei Coronari
Apropos „köstlicher Duft“: Zeit für einen Snack in einer Seitengasse der chronisch verstopften Piazza Navona! „Supplì“, frittierte Reis-kroketten mit Mozzarellakern, sind ein heißer Tipp und genauso ein römischer Klassiker wie die Spaghetti all’Amatriciana oder die Pasta Cacio e Pepe. Die „Supplì“ im gleichnamigen Laden in der Via dei Coronari 25 lassen sich auch echte Römerinnen auf der Zunge zergehen. „Kindheitserinnerungen“, lächelt Roberta Lupardini, die ihr ganzes Leben in der Gegend verbracht hat, versonnen und sieht sich wieder als Sechsjährige mit ihrem Großvater vorbeiflanieren. Wie alle Anwohner schätzt es auch Roberta sehr, dass sich das Gässchen, das neben Art-Nouveau-Antiquitäten, Boutiquen und Supplì auch noch eine der besten Eisdielen der Stadt („Gelateria del Teatro“) beheimatet, seinen Charme und sogar auch noch eine Art Unschuld bewahrt hat. Einen Espresso an der Theke um 1 Euro und Tramezzini um 2,50? In einem Café etwa auf halber Strecke ist das tatsächlich noch zu bekommen. Ganz zu schweigen vom Geschenk am Ende der Via dei Coronari: die Totalansicht auf die Engelsburg.
Susan Sarandons heiße Romnacht
Auch Hollywood hat einen Narren an Rom gefressen. Ältere Semester erinnern sich sicher noch an die Fifties-Schmonzette „Ein Herz und eine Krone“, in der Audrey Hepburn und Gregory Peck auf einer Vespa das Dolce Vita inhalieren. Jahrzehnte später völlerte sich Julia Roberts höchst appetitlich durch „Eat Pray Love“. Und Woody Allen entzückte die hiesigen Touristiker mit seinem „To Rome with Love“. Im heißen Herbst 2023 wurden Justin Timberlake und Jessica Biel beim Pärchenurlaub von Paparazzi abgeschossen. James Franco („Why him?“) wollte lieber inkognito bleiben, verkroch sich unter dem Hoodie und wurde dennoch erkannt, als er den traumhaften Rooftop des Romantik-Hotels „Raphael“ beehrte. Susan Sarandon hingegen zeigt ihre – wohl ewige – Liebe zu Rom offensiv und demonstrativ. Vor bald 40 Jahren hatte die große Charakterdarstellerin aus New Jersey mit dem römischen Regisseur und Drehbuchautor Franco Amurri oberhalb der Spanischen Treppe im Hotel „De La Ville“ ein Zimmer bezogen, das auch schon Leonard Bernstein als temporäres Zuhause gedient hatte. Der Oscar-Preisträgerin war immer gesagt worden, sie könne nicht schwanger werden. Aber dann passierte genau das. Seither trommelt die berühmte Mutter von Eva Amurri: „Fahrt nach Rom, esst, trinkt, seid ausgelassen – und ein Wunder wird geschehen!“
www.romesite.com
www.turismoroma.it
Das Klima Roms ist von seiner mediterranen Lage geprägt. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 15,5 Grad Celsius und die jährliche Niederschlagsmenge 880 Millimeter im Mittel.