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Gourmetreise Algarve

Praia Vale de Centeanes in der Nähe von Carvoeiro, früh am Morgen. Der Strand ist beinah gottverlassen, bis auf zwei Fischer. Einer von ihnen hat heute den großen Fang gemacht. Er wird sich in Kürze mit einer stolzen Zahl von „Sargo“ (Geißbrasse) vom Beach trollen. Szenen wie diese wiederholen sich an der Algarve-Küste zwischen Sagres und Faro Tag für Tag tausendfach. Die köstlichen Schätze aus dem Meer bilden die Grundlage für den Aufstieg der Algarve zu einem der angesagtesten Genuss-Hotspots Europas. Ein Paradies für Naturfreunde, Strandfans, Surfer und Golfer war dieser mild-wilde Flecken Erde am Südzipfel Portugals schon immer. Jetzt ist er endgültig auch zum trendigen Sehnsuchtsziel und zur Pilgerstätte für Foodies geworden.

Die Algarve: Sehnsuchtsziel und Pilgerstätte für Foodies
Hans Neuner ist nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung. Neuner ist ein Kochkünstler, verspielt, kreativ, mit zwei Michelin-Sternen hochdekoriert. So mancher Gastro-Kritiker hält den Tiroler für „den besten Fischspezialisten, den Österreich je gesehen hat“. Der rastlose Küchenchef aus Leutasch bei Seefeld steuert das „Ocean“, das Fine Dining-Abendrestaurant des luxuriösen Hoteldorfs VILA VITA Parc am Ortsrand von Porches mit Leidenschaft und Verve. Obwohl Neuner schon vor über zehn Jahren im VILA VITA Parc andockte, staunt er beim Lokalaugenschein des Connoisseur Circle noch immer über den wichtigsten Rohstoff vor der Haustür: „Die Qualität der Fische hier ist ein Hammer. Egal ob Wolfsbarsch, Rotbarbe, Seeteufel, Zackenbarsch, Oktopus, Taschenkrebse, Meeresschnecken, Entenmuscheln, Hummer oder Sardinen – von meinem Händler kriege ich immer alles frisch.“ Kombiniert wird gerne mit Bio-Produkten aus dem hoteleigenen Wein- und Landgut Herdade dos Grous im Alentejo.

Dazu das elegant-gemütliche, kosmopolitische Ambiente des „Ocean“ mit bodentiefen Fenstern, hellen Seidenteppichen, Mobiliar in maritimen Blautönen und dekorativen afrikanischen Korallen – fertig ist das Gesamtkunstwerk aus Kulinarik & Optik. Neuner, schwärmerisch: „Von jedem Tisch siehst du auf das Meer – ein Gefühl wie in einem Infinity Pool!“ Nicht nur für die Gäste ist der Ausblick animierend, auch für ihn selbst: „Da kocht es sich gleich noch besser, wenn ich in Stresssituationen kurz innehalten und vom Panoramafenster in unserer Küche auf den Atlantik rausschauen kann.“ Wobei: Was soll sich noch verfeinern lassen bei einer Komposition von Olhao-Austern, gefrorener Gänseleber, Ananas und Malve? Oder der gepimpten Version des portugiesischen Traditionsgerichts Feijoada, mit Wolfsbarsch, Paprika, Bohnen und Seeigel? Oder einem Gericht, pardon Gedicht, wie Tagliatelle vom Meeresfenchel mit Lauch und Bergamotte auf schwarzer Tinte? „The Art of Dining“ – der plakative Leitspruch des Restaurants ist wirklich nicht zu hochgegriffen.

Etwas weniger avantgardistisch, eher klassisch, wird nur ein paar Kilometer entfernt von einem weiteren Österreicher Haute Cuisine mit zwei Michelin-Sternen zelebriert: Dieter Koschina, best Buddy von Hans Neuner, schwingt seit 1991 im noblen Boutique Hotel Vila Joya den Kochlöffel. Auch er ein deklarierter Fan von Seafood: „80, 90 Prozent unserer täglich wechselnden Menüs kommen aus dem Atlantik – Fisch und Krustentiere. Ein Traum, mit so tollen, frischen Produkten arbeiten zu dürfen!“

Als sich der Vorarlberger vor über einem Vierteljahrhundert nach einem zehnminütigen Telefongespräch von der deutschen Besitzerin der Vila Joya an seinen sonnigen Arbeitsplatz 30 Meter vom Meer locken ließ, fand er noch kulinarisches Brachland vor. „Die Qualität stimmte nicht – alles was es auf dem Fleischsektor gab, war Wachtel, Kaninchen, Huhn, Schwein und zähes Rind.“ Und auch infrastrukturell sah Koschina akuten Aufholbedarf. Eine neue Küche musste her. „Anfangs sind bei uns viele Pfannen geflogen, nicht nur in Richtung Küchenmannschaft, sondern auch in Richtung Service.“

Wenn heute, meist kurz vor Mitternacht, die Küchentür auffliegt und Koschina die Ovationen der verwöhnten Vila-Joya-Gäste entgegennimmt, wirkt er aufgeräumt. Längst hat er ein „starkes Kollektiv“ um sich geschart. „Die Kunst für mich als Coach der Truppe ist es, wie im Fußball die richtige Balance zwischen Angriff – dem Service – und der Verteidigung – der Küche zu finden. Immerhin spielen wir zweimal am Tag, mittags und abends, Champions League!“

Und die Konkurrenz schläft nicht an der boomenden Algarveküste. Mit dem Anantara Vilamoura will seit dem Frühjahr 2017 ein neuer Mitbewerber an der Spitze mitdribbeln. Nicht nur durch Wohlfühlambiente, Spa und Arnold-Palmer-Golfplatz punkten, sondern auch mit erstklassigen Darbietungen von Küche & Keller – lautet das Motto im Anantara. Am überzeugendsten gelingt das im Signature Restaurant EMO, wo sich die Gerichte nach dem Wein richten und nicht umgekehrt. Es ist die Spielwiese des „Weingurus“ Antonio Lopes. Lopes, Anfang 30 und in der Universitätsstadt Coimbra im Zentrum Portugals großgeworden, zelebriert gekonnt sein Know-how, ohne die Kundschaft einzuschüchtern. „Jeder Wein in der Kategorie bis 150 Euro pro Flasche wird auch glasweise ausgeschenkt.“ 430 verschiedene Positionen schlummern aktuell im Keller. Sein größter Schatz: Ein Port von 1882 um 13.000 Euro!

Der Gast kann freilich nicht nur die edelsten Tropfen verkosten, sondern auch beim Kochen selbst Hand anlegen – wenn er die „Spice Spoons“-Erfahrung bucht. Zuerst mit dem Chef auf dem Markt in Loulé die frischen, regionalen Zutaten für das Mittagessen einkaufen, danach die Beute beim Kochkurs im Resort gemeinsam zu einem suppig-saftigen Meeresfrüchteeintopf („Cataplana“) verarbeiten und munden lassen.
Bei all dem Streben nach gehobener Küche und vollkommenem Genuss ist es aber auch schön zu sehen, dass an der Algarve auch die kleinen Freuden – zu kleinen Preisen – weiterhin hochgehalten werden. Egal, ob man im Hinterland unterhalb der Burg von Silves oder in einem Café an der palmengesäumten Strandpromenade von Armacao de Pera eine „Bica“ (Espresso-Variation) schlürft – in der Regel sind dafür nicht mehr als lächerliche 70 Cent zu berappen. Obrigado!

Text: Andreas Jaros

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